Fahad Hudsch - Der Dolmetscher
Fahad Hudsch aus Qamischli in Syrien ist Anfang der 1990er-Jahre nach Deutschland gekommen und lebt in Hameln. Vom Deutschen Roten Kreuz ist er dort hauptamtlich als Dolmetscher angestellt, um im Flüchtlingsheim zu übersetzen. Sein persönliches Ziel: Die Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland kommen, sollen es leichter haben als er damals. In Hameln ist er für sie der erste Ansprechpartner, dem sie vertrauen und viel erzählen.
Fahad Hutsch blickt zurück auf die Zeit, als die ersten Flüchtlinge in Hameln ankamen. Es waren immer neue Geschichten und Schicksale, die er hörte.
Sprachliche und kulturelle Barrieren abbauen? Das kann Fahad Hudsch auch, wenn er bei der Tafel in Bad Münder hilft. Ob in der Wurst etwa Schweinefleisch ist, wollen manche Flüchtlinge, die auch auf Lebensmittelspenden angewiesen sind, wissen. Der Dolmetscher aus Syrien hat die Antwort!
Zusammen mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) berät Dolmetscher Fahad Hudsch Flüchtlinge in Hameln bei einem Tag der offenen Tür. Mittlerweile kommen kaum noch Flüchtlinge und Fahad Hudsch macht sich Gedanken: Sein Vertrag mit dem DRK läuft Ende des Jahres aus. Wird er danach noch gebraucht?
Der Stress für den Übersetzer hat ein bisschen nachgelassen. In der Linsingenkaserne in Hameln sind jetzt nicht mehr 1.000, sondern nur noch 16 Flüchtlinge. Trotzdem wird Fahad Hudsch nicht langweilig. "Wir haben zwei Wochen lang das komplette Büro aufgeräumt. Und wir haben Gartenarbeit gemacht", erzählt er. Außerdem wurde das "Medical-Center" neu gestaltet. Es hat jetzt ein Wartezimmer. Fahad Hudsch widmet sich nun verstärkt Flüchtlingen, die die Erstaufnahmeeinrichtung bereits verlassen haben. Er hilft ihnen zum Beispiel, Formulare für das Jobcenter auszufüllen.
Der tägliche Besuch in der Hamelner Kantine ist für Fahad Hudsch ein Full-Time-Job. Immer wieder wird der Dolmetscher angesprochen - von Landsleuten, aber auch vom Küchenpersonal. Geduldig kümmert sich Hudsch um alle Anliegen und findet eigentlich auch immer eine Lösung.
Um zehn Familien aus dem Irak, Afghanistan und Syrien kümmert sich Fahad Hudsch derzeit. Heute trifft er sich mit zwei Vätern und ihren Kindern an der Grundschule Hohes Feld in Hameln. Die Familien sind erst vor wenigen Wochen in Deutschland angekommen. Nun wollen sie ihre Kinder in der Schule anmelden und sind dankbar über die Unterstützung von Dolmetscher Hudsch. "Mich erinnert das natürlich auch an meine eigenen Kinder, die mittlerweile schon seit Jahren hier zur Schule gehen", sagt Hudsch.
Fahad ist ein gefragter Mann. Gerade jetzt. Ständig ist der Dolmetscher unterwegs. Am Wochenende arbeitet er zwar eigentlich nicht - Anrufe bekommt er aber trotzdem. Das alles ginge wohl nicht ohne seine Familie, die ihn voll unterstützt. "Ich bin richtig stolz auf meinen Vater", sagt die 13-jährige Tochter Jian.
Nach Feierabend ist der Arbeitstag für Fahad noch lange nicht vorbei. Ehrenamtlich betreut er Familien, die bereits aus der Flüchtlingsunterkunft ausgezogen sind, im Alltag aber noch Hilfe benötigen. Familienvater Abed Alsoufi hat Fahad um seine Unterstützung bei einem wichtigen Schreiben gebeten.
Heute kümmert sich Fahad um praktische Wünsche. Eine junge Frau bittet um einen Kinderwagen, ein kleiner Junge fragt nach einem Fahrrad. Fahad notiert sich die Wünsche. Dass sie sich erfüllen, kann er nicht versprechen. Doch er kann die Anliegen verstehen, sie aufschreiben und weiterleiten.
Obwohl er täglich von tragischen Schicksalen hört, gehen Fahad die Geschichten der Geflüchteten immer wieder nahe. Ihr Haus in Syrien sei von Bomben zerstört worden, erzählt eine junge Syrerin. Im Krieg wurde sie von ihrem Ehemann getrennt. Fahad will der Frau helfen, ihren Mann nach Deutschland zu holen. Das Gespräch erinnert ihn an seine eigene Vergangenheit: Fahad hat seine Verlobte in den 90er-Jahren ebenfalls von Syrien nach Deutschland geholt - und in Hameln geheiratet.
Für Spaziergänge durch die malerische Altstadt Hamelns bleibt Fahad nur selten Zeit. Nahezu täglich ist er als Dolmetscher und Vermittler in der Flüchtlingsunterkunft mit neuen Aufgaben konfrontiert. Doch Fahad klagt nicht, den Flüchtlingen zu helfen ist ihm eine Herzensangelegenheit. Vor mehr als 20 Jahren, am Silvesterabend 1994, kam er selbst als syrischer Flüchtling im Aufnahmelager Braunschweig an. Kurze Zeit später wurde er nach Hameln verlegt, wo er heute mit seiner Frau und drei Kindern lebt. Wie schwierig es damals für ihn ohne Dolmetscher war, hat sich eingeprägt. Den Flüchtlingen heute wolle er das ersparen, sagt Fahad. Deswegen helfe er.
Einsatz auf der Krankenstation: Weil Fahad früher als Krankenpfleger tätig war, kann er die Ärzte in der Flüchtlingsunterkunft bei den Kontrolluntersuchungen ideal unterstützen. Er dolmetscht, beruhigt und vermittelt, wenn es nötig ist, auch zwischen den Kulturen: "Sie müssen sich nicht schämen", sagt er etwa diesem Mann, der sich von einer weiblichen Ärztin untersuchen lässt.
Ständig wird der Dolmetscher auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft angesprochen. Nicht jedem kann er bei dessen Anliegen weiterhelfen. Doch manchmal gehe es gar nicht darum, erklärt Fahad. Viele Menschen bräuchten einfach jemanden, der ihnen zuhört.
"Das ist für die gläubigen Muslime" sagt Fahad und hängt einen Zettel an die Theke der Essensausgabe in der Hamelner Flüchtlingsunterkunft. Auf arabisch hat er darauf notiert, welche Art von Fleisch hier ausgegeben wird. So können die Flüchtlinge sicher sein, dass sie nicht etwa das im Islam verbotene Schweinefleisch auf den Teller bekommen. Eine vermeintlich kleine Geste - für die Menschen hier ist sie von großer Bedeutung. Den letzten Zettel hängt Fahad ganz an die Seite der Theke. Zum angebotenen Essen stünde darauf nichts, erklärt der Dolmetscher. Dafür etwas anderes, das ebenso wichtig sei: "Guten Appetit!"
Eine brenzlige Situation: Vor der Unterkunft in Hameln trifft ein Bus mit Flüchtlingen ein. Doch einige der Menschen weigern sich auszusteigen. Sie wollten gar nicht hierher, sagen sie, sondern nach Hamburg. Jetzt wird Fahad dringend gebraucht. Er dolmetscht zwischen den Neuankömmlingen und den Betreibern der Flüchtlingsunterkunft. Gleichzeitig versucht er, die Menschen vom Aussteigen zu überzeugen. Sie müssten erst einmal hier unterkommen, dann könnten sie weiter, sagt er ihnen auf Arabisch. Fahads Bemühungen fruchten: Die Menschen vertrauen dem gebürtigen Syrer und steigen schließlich aus dem Bus.