Schilder mit der Aufschrift Landgericht, Oberlandesgericht und Generalstaatsanwaltschaft hängen an einem Gebäude. © NDR Foto: Julius Matuschik

Tochter als Sexsklavin gehalten? Missbrauch-Prozess endet

Stand: 29.06.2023 06:11 Uhr

Sie sollen ihre heute 25-jährige Tochter missbraucht, vergewaltigt und als Sexsklavin gehalten haben: Heute will das Landgericht Braunschweig das Urteil gegen die Mutter und deren Mann verkünden.

von Angelika Henkel

Es ist ein unerwarteter Auftritt am Dienstag: Am vorletzten Prozesstag betritt die 25-jährige Tochter den Saal mit geradem Rücken und gehobenem Kopf. Mit der Hand hält sie sich an der seelsorgerischen Begleiterin fest, als sie ihre Mutter und den Stiefvater direkt anguckt und dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft aufmerksam zuhört.

Taten erstreckten sich wohl über Jahre

Ramona und Thorsten R. aus Goslar sollen ihre Tochter gedemütigt und sadistisch gequält haben. Die Anklage wirft ihnen vor, sogar geplant zu haben, die junge Frau zu ermorden und es wie einen Suizid aussehen zu lassen, als die mutmaßlichen Machenschaften aufzufliegen drohten. 19 Taten sind angeklagt, doch vermutlich erstreckten sich die Fälle über Jahre. Sie blieben unentdeckt und im Geheimen, obwohl sich im Prozess andeutet, dass es Mittäter und Mitwisser gegeben haben dürfte.

Sicherungsverwahrung für Mutter und ihren Mann beantragt

Die junge Frau habe in ihrem Leben unermessliche Qualen ertragen müssen, trägt Staatsanwalt Christian Krause vor. Statt mütterliche Liebe habe sie in einem strengen Regelwerk von Folter und Strafen gelebt, vermutlich von klein auf. "Das sind schier unglaubliche Vorwürfe", die habe er als Ermittler in zehn Dienstjahren noch nicht erlebt. Doch nach der Beweisaufnahme sei die Indizienkette von Sekretspuren, Handydaten und voneinander unabhängige Aussagen des Opfers und einer Zeugin eindeutig. Die Staatsanwaltschaft beantragt Haftstrafen von 14 und 11 Jahren für das Paar. Weil die beiden laut Gutachter eine Gefahr für die Allgemeinheit seien und eine sadistische Neigung vorliegen könnte, beantragt die Staatsanwaltschaft Sicherungsverwahrung - das bedeutet, dass sie auch nach der Haftstrafe im Gefängnis bleiben müssten.

Verteidigung fordert Freispruch

Die Anwältin des Opfers, Gabriele Rieke aus Braunschweig, hält Ramona R. vor, ihr Kind als "Fehler" und "Hure" bezeichnet zu haben. Statt Liebe sei das Mädchen zur Unterwerfung dressiert worden wie ein Tier. "Sie sind eine schlechte Mutter!", ruft sie stellvertretend für ihre Mandantin zur Anklagebank. Ramona R. schüttelt immer wieder den Kopf. Die buschigen grauen Haare sind zu einem Pferdeschwanz gebunden. Thorsten R. sitzt mit gebeugtem Rücken und guckt teilnahmslos in den Saal. Seine Augen sind durch dunkle Locken, die in die Stirn fallen, verdeckt. Das angeklagte Paar hat sich schweigend verteidigt. Ihre Anwälte fordern Freispruch und kritisieren das Glaubwürdigkeitsgutachten, das von der Tochter erstellt wurde. Es attestiert ihren Aussagen einen hohen Wahrheitsgehalt.

Staatsanwaltschaft kritisiert Arbeit der Polizei Goslar

Es ist still im Saal, als Oberstaatsanwältin Vanessa Beyse die Arbeit der Polizei Goslar kritisiert. Statt objektive Beweise zu prüfen, habe die Polizei dem Mädchen von Anfang an misstraut. Der Ermittlungsführer habe nicht nur schlampig gearbeitet. Sie habe kaum glauben können, was der Polizeihauptkommissar vor Gericht aussagte. "Da wurde sogar das Bild gezeichnet, wir hätten die Beweislage zusammen gemauschelt, um Leute viele Jahre in Haft zu schicken", sagte Beyse. Teile der Asservate seien zunächst nicht zur Analyse geschickt worden. Am Ende wird die Staatsanwältin sehr deutlich: "Das war ein schwarzer Tag für den Opferschutz". Die Polizeidirektion hat die weiteren Ermittlungen inzwischen an eine andere Polizeiinspektion übertragen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Braunschweig | 29.06.2023 | 06:30 Uhr

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