Puvogel-Affäre: Früherer Richter nach 46 Jahren rehabilitiert
Seine Courage stürzte 1978 den niedersächsischen Justizminister - doch statt Lob erntete der Braunschweiger Richter Helmut Kramer eine Disziplinarverfügung. Nun ist sie aufgehoben worden.
46 Jahre nach der Affäre hat die amtierende niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) die damalige Verfügung gegen Kramer zurückgenommen. Wahlmann dankte dem mittlerweile 94-Jährigen für sein Engagement, wie das Justizministerium am Mittwoch mitteilte. Kramer selbst war aus gesundheitlichen Gründen verhindert, den Aufhebungsbescheid nahm sein Sohn Christian entgegen.
"Das Gewissen der niedersächsischen Justiz"
Helmut Kramer sei jahrzehntelang "das Gewissen der niedersächsischen Justiz" gewesen, sagte Wahlmann. 1978 waren die rassistischen Inhalte der Dissertation des damaligen niedersächsischen Justizministers Hans Puvogel (1911-1999) bekannt geworden. In seiner Arbeit aus dem Jahr 1937 hatte Puvogel sich laut Justizministerium für die Kastration von Menschen stark gemacht, die im NS-Denken als minderwertig galten. Als sich der Minister nicht davon distanzierte, verschickte Kramer als Richter am Oberlandesgericht die entsprechenden Passagen an einige seiner Kollegen. Puvogel trat daraufhin schließlich zurück.
Nach Rücktritt von Minister: Rüge für Kramer
Kramer fing sich dafür eine Rüge von seinem Arbeitgeber ein. Das Oberlandesgericht befand damals:
"Es steht dem Richter ebenso wenig wie dem Beamten zu, seinem Vorgesetzten Verfehlungen vorzuwerfen oder dessen Ansehen durch Verbreitung von Tatsachen im Bereich der Behörde zu untergraben, selbst wenn die Tatsachen zutreffend sind."
Dass diese Einschätzung jetzt aufgehoben wurde, freut den heute 94-jährigen Kramer. Es gehe ihm dabei nicht um einen "angestaubten Vorgang" in den Tiefen seiner Personalakte, zitiert ihn das Justizministerium. Weit wichtiger sei ihm, dass damit auch das damals noch herrschende obrigkeitsstaatliche Richterbild zurückgewiesen werde.