Polizist nach Faustschlägen vom Amtsgericht freigesprochen
Das Amtsgericht Göttingen hat einen Polizisten vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt freigesprochen. Er habe in Notwehr gehandelt.
Freispruch, Verwarnung oder ein Jahr auf Bewährung. Diese Optionen lagen nach den Plädoyers in dem Prozess gegen einen 33-jährigen Polizisten auf dem Tisch. Der Richter am Amtsgericht Göttingen folgte dem Antrag der Verteidigung und sprach den Polizisten frei. In der Urteilsbegründung zeigte der Richter für die Situation des Beschuldigten Verständnis.
Richter über Betrunkenen: "Einfach auf Krawall gebürstet"
Die Ausgangssituation hat das Gericht nach Videoaufnahmen und Zeugenaussagen in etwa so rekonstruiert: Vier Polizisten, darunter der nun freigesprochene 33-jährige, hatten es im Juli 2021 mit einem schwer betrunkenen, aggressiven Mann zu tun. Der 30-Jährige wollte sich in der Göttinger Innenstadt nicht kontrollieren lassen. Er sei aufgrund seines Zustands sehr gefährlich gewesen, so der Richter. "Der war einfach auf Krawall gebürstet, da kann man als Polizeibeamter nicht einfach wegsehen."
Angriff auf Polizisten auf Videos nicht klar erkennbar
Der Polizist hatte damals versucht, den 30-Jährigen mit einem sogenannten Kopfkontrollgriff zu fixieren. Das misslang und beide gingen zu Boden. Der Polizist sagte aus, der Betrunkene habe ihn dann im Nacken umklammert und ihm die Luft abgedrückt. "Er befürchtete Bewusstlosigkeit, Schutzlosigkeit und Todesangst", erklärten die Verteidiger des 33-Jährigen. Auf den verwackelten Bodycam-Aufnahmen der Beamten, die im Gerichtssaal gezeigt wurden, ist die Situation nicht klar erkennbar.
Amtsgericht bestraft rechtswidrige Schläge nicht
Das Amtsgericht hält die Sicht des Polizisten für glaubwürdig, bestätigt Gerichtssprecher Oliver Jitschin auf Nachfrage des NDR Niedersachsen. Der Polizist habe größtenteils in Notwehr gehandelt. Nur die letzten beiden Schläge seien rechtswidrig gewesen, als der 30-jährige schon fixiert am Boden lag. Diese rechtswidrigen Schläge wollte der Richter aber nicht bestrafen. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass der Polizist in der aufgeladenen Situation "die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken" überschritten habe. Der Richter beruft sich hier auf einen speziellen Paragraphen im Strafrecht zur "Überschreitung der Notwehr".
Verteidiger: Polizeieinsatz durch Rechtsordnung gedeckt
Das Amtsgericht folgte mit dem Freispruch der Argumentation der Verteidigung. Verteidiger Karl-Heinz Mügge ist zufrieden und hält den Freispruch für richtig. Auch sein Mandant sei erleichtert. "Das Video sieht zwar verstörend aus, der Einsatz ist aber durch unsere Rechtsordnung gedeckt", so Mügge. Bei den Faustschlägen habe sich sein Mandant aufgrund der Gefahrenlage in einem hochemotionalen Erregungszustand befunden. "Wenn man da die Grenzen überschreitet, ist das nicht schuldhaft", so der Anwalt.
Freigesprochener Polizist sieht Streifendienst gefährdet
In seinem Schlusswort schilderte der 33-Jährige noch einmal die Folgen, nachdem das Handyvideo des Vorfalls damals im Netz gelandet war. Er habe sich gerne im Streifendienst "jahrelang freiwillig den damit verbundenen Gefahren ausgesetzt und die Menschen in dieser Stadt beschützt". Nun frage er sich, wer dieses Risiko noch eingehen wolle, wenn man das Gefühl habe, nicht ausreichend von dieser Gesellschaft geschützt zu werden. Gegen den 33-Jährigen läuft noch ein Disziplinarverfahren bei der Polizei, das für den Zeitraum des Gerichtsverfahrens ruhte. Der Anwalt des 30-Jährigen, der damals die Faustschläge einstecken musste, will sich zu dem Freispruch nicht äußern.