Landwirtschaft: Agrarökonom hält Kürzungen für handhabbar
Bernhard Brümmer ist Professor für Agrarökonomie an der Universität Göttingen. Im Interview ordnet er den Protest der Landwirte um die Kürzungen bei Agrardiesel und bei der KfZ-Steuerbefreiung ein.
Herr Brümmer, Landwirte protestieren gegen den geplanten Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung und des günstigen Agrardiesels. Aus agrarökonomischer Sicht: Wie problematisch ist das denn für die Landwirte?
Bernhard Brümmer: Zunächst einmal ist die Protestwelle in Berlin durchaus nachvollziehbar. Die Änderungen kamen sehr plötzlich. Aber die finanzielle Dimension der diskutierten Kürzungen erscheint durchaus handhabbar. Auch wenn es in der Summe für die deutsche Landwirtschaft um etwa eine Milliarde Euro geht. Wir sprechen beim Agrardiesel ungefähr von 30 Euro pro Hektar Ackerfläche. Und die KfZ-Steuerbefreiung macht noch einmal ungefähr denselben Betrag aus. Für einen durchschnittlichen landwirtschaftlichen Betrieb in Deutschland sind das gerade mal knapp 3.000 Euro im Jahr. Das ist nicht wenig. Aber auch nichts, was die Anpassungsfähigkeit der meisten Betriebe überlasten dürfte.
Es gibt große Proteste der Landwirte gegen die Haushaltspläne, viele von ihnen sagen, diese Regelungen seien unfair. Wie schätzen Sie das ein?
Brümmer: Naja, das mit der Unfairness solcher Kürzungen kann man auch ein Stück weit nachvollziehen. Denn natürlich gibt es auch andere große Subventionsempfänger, die man noch in Ruhe gelassen hat. Unfairness könnte auch empfunden werden im europäischen Vergleich. Hier muss man sagen, dass innerhalb der EU die Spannbreite, insbesondere bei der Agrardieselsteuer, sehr groß ist. Das geht von 0 Cent in Belgien bis mehr als 50 Cent in den Niederlanden. Wir liegen da so ungefähr im Mittelfeld.
Jetzt klagen viele Landwirte, dass ihre Existenz bedroht sein könnte. Was ist da dran aus Ihrer Sicht?
Brümmer: Wir sprechen hier von einem Kürzungsvolumen von knapp 3.000 Euro. Das ist gerade im Lichte der relativ guten Gewinnsituation wie im vergangenen Jahr sicherlich nicht existenzbedrohend. Dennoch muss man sagen, dass die Landwirtschaft insgesamt vor einem großen Strukturwandel steht. Und für die Betriebe, denen es jetzt schon bereits finanziell nicht besonders gut geht, ist natürlich jedes zusätzliche Minus eine große Belastung.
Was kommt denn speziell in Niedersachsen auf die Landwirte zu?
Brümmer: Es gibt Zahlen, die das niedersächsische Landwirtschaftsministerium veröffentlicht hat. An Mehrkosten in Niedersachsen würden wir davon ausgehen, dass wir etwa 3.500 bis 4.500 Euro an Mehrbelastungen haben. Bedingt durch die größere Durchschnittsgröße der landwirtschaftlichen Betriebe im Vergleich zum Bundesdurchschnitt.
Sind die Kürzungen durch die Bundesregierung denn sinnvoll? Oder gäbe es andere Bereiche, wo es sinnvoller wäre, zu kürzen?
Brümmer: Das klassische Argument ist, zu sagen, Landwirte mit ihren Traktoren sind kaum auf der Straße unterwegs. Deshalb werden ein vergünstigter Steuersatz und eine Befreiung bei der Kfz-Steuer angesetzt. Ob dieses Argument heute in der Form, wie es früher der Fall war, noch gilt, darüber kann man trefflich streiten. Heute sind die landwirtschaftlichen Traktoren und auch die Anhänger viel größer, viel schwerer. Damit gibt es auch eine stärkere Belastung für die Straßen. Von daher würde ich sagen, dass diese Begründung für die Subventionen ein Stück weit auch weggefallen ist. Und Diesel ist natürlich auch ein Treiber des Klimawandels. Deshalb ist diese Subvention vielleicht auch ein bisschen aus der Zeit gefallen.
Sie sagen, der Diesel ist klimaschädlich. Aber so ein Landwirt, der nun Dieselmaschinen hat, kann ja nicht einfach umsteigen. Es gibt ja noch keine Alternative.
Brümmer: Es gibt schon erste Pläne für Elektrotraktoren. Aber man kann noch nicht ernsthaft Elektrotraktoren als vollständigen Ersatz für die heutigen Dieseltraktoren verkaufen. Das ist eher Zukunftsmusik. Dennoch gibt es Möglichkeiten, durch weniger Dieseleinsatz die Landwirtschaft zu verbessern. Auch was den CO2-Ausstoß angeht. Man kann effizientere Motoren entwickeln. Das passiert alles schon.
Das Interview führte Wieland Gabcke.