Stand: 05.11.2015 14:59 Uhr

Ermittlungen gegen VW wegen falscher CO2-Werte

Dem Volkswagen-Konzern droht auch auf strafrechtlicher Ebene eine Ausweitung des Abgas-Skandals: Nachdem der Autobauer am Dienstagabend eingeräumt hatte, "dass bei der CO2-Zertifizierung einiger Fahrzeugmodelle zu niedrige CO2- und damit auch Verbrauchsangaben festgelegt wurden", hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig weitere Untersuchungen aufgenommen. Es laufe eine entsprechende Vorprüfung auf mögliche Straftatbestände, sagte ein Sprecher der Behörde am Donnerstag. Bei den Delikten, die dabei im Raum stünden, handele es sich sowohl um Betrug als auch um unlauteren Wettbewerb.

Zwei getrennte Verfahren

Bisher ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig bereits gegen einige VW-Mitarbeiter wegen der Software-Manipulationen an Dieselfahrzeugen. Sollte sich der Verdacht bei der CO2-Zertifizierung erhärten, würden beide Themen in getrennten Verfahren weiterlaufen, so der Behördensprecher.

98.000 Benziner betroffen

Laut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) betreffen die falschen CO2-Angaben bei Volkswagen 98.000 Benzinfahrzeuge. Das sagte der Minister am Mittwoch im Bundestag. Volkswagen hatte zuvor mitgeteilt, bei Werten zum Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) gebe es "Unregelmäßigkeiten". Der Spritverbrauch von Hunderttausenden Autos könnte damit höher liegen, als deren Besitzer annahmen. "Nach derzeitigem Erkenntnisstand können davon rund 800.000 Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns betroffen sein", hieß es weiter. Bislang wurde aber nur von einer "geringen Anzahl" von betroffenen Benzinern gesprochen.

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Schon vor den genauen Zahlen war der Aktienkurs von VW erneut eingebrochen. Das Papier sackte an der Frankfurter Börse zeitweise um mehr als zehn Prozent ab. Die Ratingagentur Moody's stufte angesichts der Ausweitung des Abgas-Skandals die Bewertung von Volkswagen herab. Die neuen Geständnisse dürften auch die Verbraucher verunsichern. Grundsätzlich stellen sich zwei Fragen: Wie kommen die erhöhten Kohlendioxidwerte zustande? Und welche Folgen hat das für Besitzer von Volkswagen-Modellen? Auf beide Fragen hat VW noch keine Antworten. Volkswagen betonte, dass die Unregelmäßigkeiten bei CO2- und Verbrauchsangaben nicht durch technische Hilfsmittel verursacht wurden. "Es geht um Werte, die einfach zu niedrig angegeben wurden", sagte ein Konzernsprecher am Mittwochabend in Wolfsburg.

Steigt die Kfz-Steuer bei betroffenen Fahrzeugmodellen?

Anders als bei den betroffenen VW-Modellen mit Dieselmotoren kommt auf die Volkswagen-Fahrer keine Nachrüstung zu. Das jeweilige Fahrzeugmodell muss aber voraussichtlich neu zertifiziert werden. Weil aber die in Prospekten angegebenen CO2-Werte erheblich vom tatsächlichen Ausstoß abweichen, könnte dies Auswirkungen auf die Berechnung der Kfz-Steuer haben, die sich teilweise aus der CO2-Abgabe berechnet. Ein höherer CO2-Austoß bedeutet, dass die Kfz-Steuer steigen kann. Nach Ansicht des Bundesverkehrsministers dürfen trotzdem keine Steuer-Nachzahlungen auf die Kunden zukommen. "Ich gehe davon aus, dass man eine Lösung findet, die den VW-Kunden nicht belastet", sagte Dobrindt in Berlin.

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Jurist sieht Chancen für Schadenersatzklagen

Jurist Thomas Rüfner von der Universität Trier sieht zumindest Chancen für die Verbraucher: "Wenn VW mit niedrigen Abgas- und Verbrauchswerten geworben hat und Kunden sich deshalb für ein bestimmtes Auto entschieden haben, dann könnte Betrug als Tatbestand vorliegen", sagte er. Kunden könnten dann mit Schadenersatzklagen Erfolg haben, wenn das Auto wegen dieses Betrugs weniger wert sei. "Um Mehrkosten wegen eines höheren Spritverbrauchs geltend zu machen, könnten Kunden wegen einer sogenannten vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung klagen", erläutert Rüfner.

Verbraucherzentrale: "Zweite Chance für Verkäufer"

Auch bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen beobachtet man die Entwicklungen bei VW genau. Im aktuellen Fall sieht Josina Starke, Juristin der Zentrale, einen deutlichen Unterschied zum Abgas-Skandal. "Dem Verkäufer muss hier die Möglichkeit eingeräumt werden, die Sache zu reparieren, um dann mangelfrei zu liefern. Der Verbraucher hat im Gegenzug natürlich Anspruch auf ein mangelfreies Auto. Erst wenn das nicht möglich ist, greifen Ansprüche auf Rücktrittsrecht und Kaufpreisminderung." Es gebe sozusagen eine Art zweite Chance für den Verkäufer.

Verkaufsstopp in den USA

Schlechte Neuigkeiten für VW gibt es derweil aus den USA: Nach neuen Vorwürfen der US-Behörde EPA hat Volkswagen den Verkauf verschiedener Modelle in Nordamerika gestoppt. Es gehe um den Porsche Cayenne, die Audis Q5, Q7, A6, A7 und A8 sowie um den VW Touareg, insofern sie die fraglichen Dieselmotoren mit sechs Zylindern und 3,0 Liter Hubraum haben, sagte ein Sprecher. Zur Zahl der nun bei den Händlern stehenden Fahrzeugen mit Verkaufsverbot konnte er nichts sagen. Zuvor hatte bereits ein Audi-Sprecher den Stopp für die Marke mitgeteilt. Der Verkaufsstopp sei freiwillig und vorübergehend. Die EPA wirft VW vor, bei den betroffenen Dieseln verbotene Software zu nutzen. Der Konzern bestreitet, dass die Programme Abgaswerte unzulässig ändern.

EU-Strafe droht

Volkswagen könnten wegen der CO2-Falschangaben auch EU-Strafen drohen. Bevor die EU-Kommission über mögliche Geldbußen entscheide, müssten aber erst die Fakten geklärt werden, erklärte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am Mittwoch. Auch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) will die Hintergründe des neuen VW-Skandals um zu hohe Werte beim Spritverbrauch und CO2-Ausstoß klären. "Das KBA wird sich der Prüfung dieses Sachverhalts annehmen und mit der gleichen Qualität prüfen wie die Vorwürfe zu Stickoxiden", sagte ein KBA-Sprecher am Mittwoch auf Anfrage.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 05.11.2015 | 15:00 Uhr

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