Arbeiten im Knast - Schüler besuchen beim Zukunftstag die JVA

Stand: 27.04.2023 06:15 Uhr

Am Donnerstag konnten sich Schüler und Schülerinnen beim Zukunftstag wieder über vielerlei Berufe informieren. Auch die JVA Wolfenbüttel hat Einblicke in einen nicht alltäglichen Arbeitsalltag geboten.

Dabei lernten die Kinder und Jugendlichen das Berufsbild des Justizvollzugsfachwirts oder der Justizvollzugsfachwirtin kennen - ein Beruf, der nur selten im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. Zudem ist dieser Beruf besonders. Denn eine JVA ist eine Welt für sich, nach außen hin abgeriegelt, mit ganz eigenen Regeln- und Sicherheitsmaßnahmen. Darüber und was die Schüler am Zukunftstag in der JVA Wolfenbüttel noch erwartet, hat Katja Lehmköster von der JVA dem NDR Niedersachsen ausführlich Auskunft gegeben.

Das Bild zeigt die Bedienstete Katja Lehmköster in der JVA Wolfenbüttel. © NDR
Katja Lehmköster arbeitet in der JVA Wolfenbüttel.

An welche Altersgruppe richtet sich Ihr Angebot zum Zukunftstag?

Katja Lehmköster: Der Zukunftstag richtet sich an Kinder, die die fünften bis siebten Klasse besuchen. Dies ist allerdings von Schule zu Schule unterschiedlich. In manchen Schulen nehmen grundsätzlich alle Jahrgangsstufen teil, in anderen Schule einige. Die Kinder, die am Zukunftstag in der JVA Wolfenbüttel teilnehmen, sind demnach 10 bis 14 Jahre alt.

Zum Programm: Welche Möglichkeiten haben Teilnehmerinnen und Teilnehmer, den "Alltag" in einer JVA kennenzulernen?

Lehmköster: Aufgrund der großen Teilnehmerzahl (47 Kinder) werden wir die Kinder in vier Gruppen einteilen. Damit wir den Kindern möglichst viel aus dem Alltag der JVA mitgeben können, haben wir vier "Stationen" eingerichtet. In einer Station werden die Kinder das Berufsbild Justizvollzugsfachwirt kennenlernen. Wir geben aber auch einen kurzen Einblick in die anderen Berufsfelder des Justizvollzuges (Diplom-Verwaltungswirt Justiz, Psychologe, ärztlicher Dienst). Insbesondere werden wir hier auch auf die Kernaufgabe der "Resozialisierung" eingehen (zum Beispiel Arbeit und Sport- und Freizeitgestaltung der Inhaftierten, Vorbildfunktion).

In einer weiteren Station wird den Kindern der Aufgabenbereich "Kontrollen" nähergebracht und sie lernen den Besuchsbereich der JVA kennen. Hier werden die Kollegen/-innen den Kindern erklären, wie man Personen durchsucht und sie auch sich selbst gegenseitig durchsuchen lassen. Es werden kleine Attrappen an den Kindern versteckt, die sie im besten Fall bei einer Kontrolle auch finden. Ebenfalls werden wir ein Paket mit entsprechenden Gegenständen vorbereiten und den Kindern anhand des Durchleuchtungsgerätes erklären, worauf wir bei Paketen und Briefen von "draußen" zu achten haben.

Die nächste Station beschäftigt sich mit unserem gesetzlichen Auftrag "Schutz der Allgemeinheit". Den Kindern werden verschiedenen Fesselungsinstrumente gezeigt und erklärt und sie dürfen diese auch selbst gegenseitig anlegen. Da sich die Kinder nur in einem bestimmten Bereich der JVA - ohne Kontakt zu Gefangenen - aufhalten dürfen, lernen sie gleichzeitig unsere GTW (Gefangenentransportwagen) kennen. Sie dürfen sich in die Fahrzeuge setzen und werden vor die großen Unterkunftshäuser gefahren, um auch eine Vorstellung der Baulichkeiten und Freiflächen der JVA Wolfenbüttel erhalten zu können. Aussteigen dürfen die Jugendlichen hier allerdings nicht.

Schlussendlich haben wir noch eine letzte Gruppe, die sich mit dem Thema "berufsspezifische Konfliktbewältigung und Selbstverteidigung" beschäftigen wird. Hier wird den Kindern eine kleine Vorführung mit Techniken der Selbstverteidigung und Konfliktvermeidung geboten und sie erlernen dann auch selbst kleine Techniken aus der Kinderselbstverteidigung. Die Gruppe wird betreut von Bediensteten, die meist im Ju-Jutsu hochrangige Prüfungen abgelegt haben und "draußen" unter anderem auch Trainingsgruppen für Selbstverteidigung für Kinder anbieten.

In welcher Weise werden die Inhaftierten in den Zukunftstag integriert? Werden Sie darüber informiert?

Lehmköster: Aufgrund des Alters der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist ein Kontakt mit den Gefangenen nicht vorgesehen. Die Inhaftierten werden nicht gesondert durch Aushang oder Ähnlichem über die Veranstaltung informiert. Auch aus Datenschutzgründen ist ein direkter Kontakt zwischen Gefangenen und den Kindern nicht vorgesehen. Das liegt daran, dass die Mehrzahl der Gefangenen hier aus dem Nahbereich der JVA kommt. Wir sind hier ja auch nicht im Zoo und die Gefangenen sind keine Objekte zum Ansehen und Bestaunen. Erfahrungsgemäß spricht sich allerdings schnell rum, dass an gewissen Tagen besondere Veranstaltungen stattfinden.

Der Zukunftstag soll ja auch der beruflichen Orientierung dienen. Welchen Rat können Sie Jugendlichen ganz konkret geben, wenn diese über eine berufliche Tätigkeit im Vollzugsdienst nachdenken?

Lehmköster: Grundsätzlich bekommen die Kinder den Rat von uns, in der Schule fleißig mitzuarbeiten und sich sportliche Hobbys zu suchen. Gern empfehle ich, die Spielekonsole mal an die Seite zu legen und sich an der frischen Luft aufzuhalten. Die Kinder sollen auf einem geraden Weg bleiben und sich von gleichaltrigen oder älteren Kindern nicht durch Mutproben oder "ausprobieren" profilieren. Ich stelle dann immer gern klar, dass "Freunde", die so etwas verlangen, nicht unbedingt die richtigen Freunde sind.

Was sollten die Kinder und Jugendlichen mitnehmen von diesem Tag?

Lehmköster: Im Justizvollzug arbeiten Menschen, die hoch motiviert sind und Freude an Ihrem Beruf haben, mit anderen Menschen. Trotz der einzelnen Teile, die wir vorstellen, sollen die Kinder verstehen, dass unsere Hauptaufgabe die Resozialisierung der Inhaftierten ist. In einer JVA geht es zu wie draußen auch. In einer JVA sind Menschen inhaftiert, mit denen wir menschlich umgehen. Sicherlich haben diese Menschen Fehler gemacht, sind von ihrer Persönlichkeit her auch häufig schwierig und sind wegen der Begehung teils sehr schwerer Straftaten auch bestraft worden, doch eines Tages werden sie wieder in die Freiheit entlassen, sind dann vielleicht wieder unsere Nachbarn und das wenn möglich als bessere Menschen, als die sie zu uns gekommen sind.

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Das Bild zeigt die Justizvollzugsanstalt in Wolfenbüttel. © NDR

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