Wohngeld: Behörden in Niedersachsen wappnen sich für Reform

Stand: 15.12.2022 06:48 Uhr

Ab Januar haben deutlich mehr Haushalte als bisher Anspruch auf Wohngeld. In Niedersachsen könnten rund 200.000 Haushalte den Mietzuschuss bekommen. Zuständig sind die kommunalen Wohngeldbehörden.

von Claudia Wohlsperger

Eine Sachbearbeiterin der Wohngeldbehörde spricht in einem Interview. © NDR
Sachbearbeiterin Cathrin Fenske.

Sachbearbeiterin Cathrin Fenske und ihre Kollegin haben es sich in ihrem Büro in der hannoverschen Wohngeldbehörde gemütlich eingerichtet: Vor den bodentiefen Fenstern stehen Zimmerpflanzen, von den Schreibtischlampen hängen weihnachtliche Deko-Sterne. Sie verbringe ja doch sehr viel Zeit hier, sagt Fenske fröhlich. Auf den beiden Schreibtischen liegen aufgeklappte Akten, Wohngeldanträge. Einige davon bearbeiten sie allerdings absichtlich noch nicht, erzählt Fenske: "Wir haben Fälle, die haben jetzt keinen Anspruch auf Wohngeld, und die haben dann im Januar 140 bis 190 Euro Wohngeld." Diese Anträge werden auf Halde "gehängt" - sie kommen also in den Aktenhängeschrank - und im Januar nach dem neuen Wohngeldgesetz bearbeitet. Die Landeshauptstadt rechnet damit, dass ab Januar rund 15.000 Haushalte Anspruch auf Wohngeld haben - bisher sind es rund 5.200. Landesweit dürfte die Zahl von 62.000 auf rund 205.000 Haushalte steigen.

Kraftakt für die Kommunen

Beim Gedanken an das neue Jahr legt Fenske die Stirn in Falten. Bei der vorerst letzten Reform, 2020, seien wäschekörbeweise Anträge eingegangen. Sie rechnet schon damit, dass die Bearbeitung der vielen zusätzlichen Anträge länger dauern wird. Aber alle würden sich bemühen, die Anträge so schnell wie möglich zu bearbeiten: "Wir wissen ja, dass die Leute das Geld brauchen", sagt Fenske. 35 zusätzliche Stellen hat die Stadtverwaltung geschaffen. Ein ordentlicher Zuwachs, aktuell arbeiten rund 50 Beschäftigte im Wohngeldamt. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) nennt die Schaffung der zusätzlichen Stellen einen echten Kraftakt. Die Kommunen in Niedersachsen hätten sich von Bund und Land Geld für zusätzliches Personal oder überhaupt für die Umsetzung der Reform gewünscht - vergebens. Grundsätzlich begrüßt er es, dass mehr Menschen vom Wohngeld profitieren. Aber die Herausforderung sei auf die Kommunen abgewälzt worden, so Onay.

Große Fehler in Berlin?

Ende November hat das Land einen Nachtragshaushalt verabschiedet, darin enthalten sind auch immerhin 394 Millionen Euro für sogenannte Ansatzerhöhungen. Dazu zählen auch die Kosten für das erhöhte Wohngeld. Dabei geht es aber nur um das Geld, das später ausgezahlt wird. Nicht enthalten im Nachtragshaushalt ist Geld für Behörden, um die Anträge schneller zu bearbeiten. Der zuständige niedersächsische Bauminister Olaf Lies (SPD) übt Kritik: Der Bund habe es versäumt, die Wohngeldregeln zu vereinfachen. Das Land habe sich für eine Vereinfachung eingesetzt, so Lies. Es sei absehbar gewesen, dass der Aufwand für die Kommunen enorm werden würde.

Jeder Fall ist anders

Von den 35 neuen Stellen bei der Stadt Hannover ist nach Behördenangaben mittlerweile etwa die Hälfte besetzt. Im Januar und Februar starten die ersten neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Allerdings müssen diese zunächst in die komplexe Materie eingearbeitet werden. Kompliziert sind die Wohngeldanträge deshalb, weil für jeden Sachverhalt Belege eingereicht werden müssen, so Sachbarbeiterin Fenske. Jeder Fall sei anders. Kleinigkeiten könnten die Höhe des Wohngeldes nach oben oder unten ändern. Einige müssten nur wenige Unterlagen einreichen, alleinstehende Rentnerinnen oder Rentner etwa. "Wenn Sie aber eine Familie haben, in der ein Kind eine Ausbildung macht, eines geht studieren, der Vater geht arbeiten, die Mutter hat einen Minijob, dann kommt gleich ein Berg an Unterlagen zusammen", so Fenske. Die Anträge an sich seien deshalb so kompliziert, weil sie alle möglichen Fälle abdecken müssten. 

Erstanträge dauern oft länger

Da ist es nicht verwunderlich, dass viele Erst-Antragsteller beim Anblick des Formulars zunächst überfordert sind. Oder nicht alle erforderlichen Unterlagen sofort beibringen. Drei Monate dauert es aktuell im Schnitt vom Antrag zur Auszahlung. Das liegt dann auch daran, dass Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen wie Cathrin Fenske nochmal Kontakt aufnehmen müssen, um zusätzliche Belege anzufragen: "Wir nennen dann auch Termine, bis wann wir die Unterlagen gerne hätten. Aber viele warten auch dann bis zum letzten Moment." Sachbereichsleiter Hergen Pfohl rechnet wegen der zu erwartenden hohen Zahl der Erstanträge mit längeren Bearbeitungszeiten im kommenden Jahr. Wer schon länger Wohngeld bekomme, der wisse bereits, welche Unterlagen die Behörde zur Bewilligung benötige. Wer nicht so viel Erfahrung mit dem Wohngeld habe, wisse das oft nicht, so Pfohl.

Möglichst schnell ans Wohngeld kommen

Wer im kommenden Jahr Wohngeld beantragen möchte, könne sich am besten zunächst im Internet schlau machen, was mindestens gebraucht wird, rät Sachbearbeiterin Fenske. Den Mietvertrag, einen Nachweis über Mietänderung oder Einkommensnachweise etwa. Selbst wenn weitere Unterlagen nachgereicht werden müssten, dauere es erfahrungsgemäß dann nicht mehr so lang. Von telefonischen Anfragen rät sie ab - damit die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den Behörden sich um die erwartete Welle an Anträgen kümmern können.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 15.12.2022 | 08:00 Uhr

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