Baba Hydara, Sohn des getöteten gambischen Journalisten Deyda Hydara, steht mit einem Foto seines Vaters und mit Aktivisten vor dem Oberlandesgericht Celle. © dpa Foto: Julian Stratenschulte

Warum ein Gericht in Celle Verbrechen in Gambia aufklärt

Stand: 30.11.2023 06:20 Uhr

Vor dem Oberlandesgericht Celle soll heute ein Urteil fallen für Taten in fast 5.000 Kilometern Entfernung. Der Gambier Bai L. soll in seiner Heimat für grausame Taten mitverantwortlich sein.

von Svenja Nanninga

Wer Straftaten gegen das Völkerrecht verübt, macht sich auch in Deutschland strafbar, selbst wenn die Taten im Ausland verübt wurden - so will es das "Weltrechtsprinzip". Seit 2022 beschäftigt sich das Oberlandesgericht Celle mit so einem Fall. Es geht um den Gambier Bai L., der 2012 als Geflüchteter nach Deutschland kam. Er soll zwischen 2003 und 2006 Mitglied der sogenannten "Junglers" gewesen sein, einer Sondereinheit der gambischen Streitkräfte. Diese Sondereinheit soll unter anderem einen regierungskritischen Journalisten ermordet haben - ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der 48-Jährige steht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Mordes und versuchten Mordes vor Gericht. Die Verteidigung habe auf Freispruch plädiert, die Generalbundesanwaltschaft habe eine lebenslange Gefängnisstrafe gefordert, teilte das Oberlandesgericht Celle mit.

Ein richtungsweisendes Verfahren zum Weltrechtsprinzip

Zwei weitere ähnliche Verfahren, die sich mit internationalen Verbrechen beschäftigen, gab es bereits vor dem Oberlandesgericht Celle. In beiden Fällen standen Anhänger des sogenannten "Islamischen Staats" vor Gericht. Und es gebe immer mehr Bestrebungen, solche Fälle in Deutschland zu beleuchten. "Das Verfahren zeigt, dass es nicht nur in Syrien grausame Verbrechen gibt, sondern auch in anderen Teilen der Welt", sagte Gerichtssprecher Andreas Keppler NDR Niedersachsen. Das Urteil sei richtungsweisend für das Weltrechtsprinzip, egal wie es ausfalle. Denn der Prozess zeige, wie wichtig es sei, Straftaten nachzugehen, egal wo sie begangen werden.

Prozess in Celle wird international beobachtet

Baba Hydara, der Sohn des getöteten Journalisten trat in dem Prozess als Nebenkläger auf. Neben ihm verfolgten auch die Töchter von zwei anderen getöteten Aktivisten aus Gambia sowie Vertreter von Menschenrechtsorganisationen den Prozess. Internationale Nichtregierungsorganisationen haben die Opfer und Nebenkläger in dem Prozess begleitet. "Deutschland sendet mit diesem Verfahren ein Signal, dass Deutschland kein sicherer Hafen für Kriegsverbrecher sein wird und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird", sagte Menschenrechtsexpertin Whitney-Martina Nosakhar zum Prozessauftakt.

Ein aufwendiges Verfahren

Zu den Verhandlungstagen waren zahlreiche Zeugen aus Gambia geladen. "Das hat durchaus auch Schwierigkeiten mit sich gebracht", sagte Gerichtssprecher Andreas Keppler. Denn nicht alle Zeugen hätten nach Celle kommen können. Das Aufnehmen von Aussagen in Gambia habe nicht immer funktioniert. Umso schwieriger sei es während des Verfahrens für die Verteidigung gewesen.

Mord an einem regierungskritischen Journalisten und einem Regimegegner

Über seine Zeit bei den "Junglers" hat Bai L. 2013 in einem Interview mit dem gambischen Online-Radiosender "Freedom Radio" gesprochen, da lebte er bereits in Deutschland. So waren die Fahnder auf ihn aufmerksam geworden. In dem Beitrag hatte er von seiner Tätigkeit als Fahrer erzählt. Im Jahr 2003 hatten die "Junglers" demzufolge von dem ehemaligen Diktator Jammeh den Auftrag, einen Rechtsanwalt zu töten. Bai L. soll die Gruppe zum Anschlagsort gefahren haben. Ein Jahr später ermordete die Sondereinheit einen Journalisten, der regierungskritische Texte veröffentlichte. Bei dieser Tat soll Bai L. das Auto des Journalisten gestoppt haben. Sein Mitfahrer war laut Anklage einer der Schützen. Im dritten Fall soll Bai L. das Opfer, einen mutmaßlichen Gegner des Präsidenten, zu dem Ort gefahren haben, wo dieser später erschossen wurde.

Yahya Jammeh lebt mittlerweile im Exil

Yahya Jammeh herrschte ab 1996 über Gambia. 2016 kassierte er eine Wahlschlappe. Seitdem regiert Präsident Adama Barrow und Jammeh lebt im Exil in Äquatorialguinea. 2021 wurde er durch die "The Truth, Reconciliation and Reparations Comission" (TRRC) der Vergewaltigung, Folter, dem Massenmord und Mord an Journalisten für schuldig befunden.

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 30.11.2023 | 19:30 Uhr

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