Umstrittener Historiker: Wer ist Daniele Ganser?

Stand: 09.03.2023 17:40 Uhr

Der Historiker Daniele Ganser tourt durch den deutschsprachigen Raum. Städte wie Dortmund und Nürnberg haben seinen Auftritt untersagt. In Hannover darf er sprechen. Das ist umstritten.

von Sophie Mühlmann

Seine Vorträge hält Daniele Ganser vor ausverkauften Sälen. Er bewegt sich auf der Bühne mit seinem Headset so gewandt wie ein smarter Motivationscoach, und die Zuschauer hängen an seinen Lippen. Sein ständiger Subtext: Die Bevölkerung wird manipuliert. Seine Masche: Ganser sät Zweifel durch Suggestivfragen, baut dadurch Verschwörungsideologien auf, ohne sich angreifbar zu machen, erklärt Jasmina Bindner von der Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Ganser bringe sein Publikum auf manipulative Weise dazu, selbst ihre Schlüsse zu ziehen - seine Schlüsse.

Ganser gilt als Star der Verschwörungstheoretiker-Szene

Auf diese Weise verharmlost er den Holocaust, stellt die Anschläge vom 11. September 2001 oder gegen das Satiremagazin Charlie Hebdo infrage, schiebt Corona diffusen Mächten in die Schuhe oder dreht beim Krieg in der Ukraine Täter und Opfer um. Das kommt gut an in manchen Kreisen. Denn Ganser kennt sein Publikum. Schließlich sei er Geschäftsmann, sagt Jasmina Bindner. "Es ist sein Job, Bücher zu verkaufen. Es ist sein Job, seine Tour zu verkaufen." Das heiße, es sei auch sein Job, sein Publikum anzusprechen, so Bindner. Das mache er mit Argumenten, die gut ankommen, "und das sind eben die einfachen Argumente." Sein Publikum seien vor allem enttäuschte Menschen - enttäuscht von der Demokratie, der Regierung, den Alltagsmühen. Ganser baue auf die Verunsicherung der Menschen, sagt Bindner. Es bringe ihm nichts, die Leute zu beruhigen. "Darauf zu bauen, dass die Leute verunsichert bleiben, ist Teil seines Konzepts."

In Hannover darf der umstrittene Historiker auftreten

Erst Dortmund, dann Nürnberg - mehrere Städte haben Auftritte des Historikers und selbst ernannten "Friedensforschers" abgesagt. In Hannover darf er reden - vor ausverkauftem Haus. Keine gute Entscheidung, findet Bindner: "Städte müssen sich positionieren", sagt sie. Catrin Schmühl vom Humanistischen Verband Niedersachsen sieht das etwas anders. Der Verband hat einen offenen Brief an die Stadt Hannover geschrieben und offiziell zum Protest gegen den Auftritt Gansers aufgerufen.

Protest gegen Daniele Ganser

Einfach verbieten wollten sie seine Rede nicht, denn die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, sagt Schmühl. "Wir würden nie jemandem verbieten, seine Meinung zu sagen, auch nicht einem Verschwörungsfantasten", so Schmühl. Man könne immer seine Meinung haben. "Aber zur Meinungsfreiheit gehört in der Demokratie immer auch das Recht auf Gegenrede", sagt Schmühl. Zudem habe Meinungsfreiheit immer die Grenze da, wo sie geeignet ist, anderen Menschen zu schaden.

Stadt Hannover: Keine Rechtsgrundlage für ein Verbot

Das meint auch Thomas Schremmer vom Gesamtpersonalrat der Stadt Hannover: "Wir müssen das aushalten, dass solche Veranstaltungen nicht zu unterbinden sind - aber wir dürfen sie nicht unkommentiert stehen lassen.“ Die Stadt habe keine Rechtsgrundlage, die Veranstaltung zu verhindern. Natürlich könne man trotzdem wie in Dortmund oder Nürnberg entscheiden. Aber dann würden Klagen und Schadensersatzforderungen folgen. Dennoch: Vielleicht werde man in Zukunft in solchen Fällen anders entscheiden. Fest stehe aber: Es werde immer wieder vorkommen, dass öffentliche Plätze von Rechtsradikalen oder fremdenfeindlich Gesinnten okkupiert werden. "Aber wir dürfen nicht dulden, dass das kritikfrei stehen bleibt."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Niedersachsen 18.00 | 09.03.2023 | 18:00 Uhr

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Rechtsextremismus

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