Sternfahrten zur A20 und A39: Mit Fahrrädern gegen den Ausbau

Stand: 23.04.2023 17:40 Uhr

Der BUND hatte für Samstag und Sonntag zu Protesten gegen den Ausbau der A20 und A39 aufgerufen. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte allerdings zuvor die geplante Route auf der A39 eingeschränkt.

von Marc Wichert

Für den Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) ist es völlig unverständlich, dass die Planungen für den Ausbau weitergehen, obwohl der Verkehrssektor einer der größten CO2-Erzeuger in Deutschland sei. Der Aus- beziehungsweise Neubau der A20 ist laut BUND sogar das "klimaschädlichste Verkehrsprojekt" in Deutschland. Allein für die ersten beiden Abschnitte der sogenannten Küstenautobahn in Niedersachsen würden 1,8 Millionen Kubikmeter Torf ausgehoben und fast 450.000 Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. In der Folgezeit würden weiter jedes Jahr 90.000 Tonnen des klimaschädlichen Gases emittiert - durch Verkehr und Unterhaltung der Autobahn. Die Hälfte der geplanten A20 im Raum Ammerland/Oldenburg, Stade und Bremervörde würde zudem durch Moor- und Marschflächen führen, die damit zerstört würden - mit "massiven Auswirkungen auf die biologische Vielfalt der Region", teilte der BUND mit.

Kommunen fordern beschleunigten Ausbau der A20

Mit den Protestaktionen wollten BUND und Bürgerinitiativen ihrer Forderung Nachdruck verleihen, den Ausbau zu stoppen. Dadurch würden etwa sieben Milliarden Euro gespart, die für eine sozial- und klimagerechte Mobilitätswende eingesetzt werden könnten, so der BUND weiter. Zuletzt aber hatten die Kommunen an der Unterweser sogar gefordert, den Ausbau der A20 zu beschleunigen. Der Schienenverkehr reiche für die Transporte von und zu den Häfen nicht aus, so die Begründung.

BUND: A20-Ausbau bringt keine wirtschaftlichen Vorteile

Der BUND teilt diese Einschätzung jedoch nicht. Defizite in der Anbindung bestünden keineswegs bei der Straße, sondern vielmehr bei Schiene und Binnenschifffahrt. "Als Alternativen zur A20 bieten sich zur Bewältigung der Güterströme ein Ausbau der bestehenden Bahnstrecken an", sagt Susanne Gerstner, Vorsitzende des BUND Niedersachsen, dem NDR Niedersachsen. Zudem könnten bestehende Bundesstraßen streckenweise dreispurig ausgebaut werden, statt eine Autobahn komplett neu zu bauen. Studien belegten außerdem, dass nur ein verschwindend kleiner Anteil von etwa vier Prozent der Güterströme ins Hinterland über die A20 abgewickelt werden könne. Denn die Autobahn würde weitgehend parallel zur Küstenlinie verlaufen. Fazit des BUND: Der geplante Ausbau der A20 bringe für den Wirtschaftsstandort Niedersachsen keine Vorteile.

Fahrraddemos und Kundgebungen in Umgebung der geplanten A20 und A39

Am Samstag fand in Glückstadt eine Fahrrad-Sternfahrt statt, am Sonntag folgten dann Sternfahrten und Fahrraddemos im Raum Oldenburg/Ammerland, auf der L 114 im Raum Bremervörde, auf der A28 zwischen Oldenburg-Wechloy und Neuenkruge sowie auf der A39 ab Lüneburg.

Geplante Route auf A39 nach Gerichtsentscheidung geändert

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte am Samstag die für Sonntag geplante Fahrraddemonstration auf der A39 beschränkt. Grund dafür sei eine neue Gefahrenprognose der Stadt Lüneburg gewesen. Demnach wäre es durch Sperrungen anderer Strecken zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen auf der A39 gekommen, für das allerdings unter anderem nicht ausreichend Umleitungsstrecken zur Verfügung gestanden hätten, so die Stadt. Dadurch hätte sich sich, so die Hansestadt, besonders die Gefahr von Verkehrsunfällen deutlich erhöht. Die Stadt Lüneburg hatte eine Alternativroute festgelegt, die ebenfalls über ein Teilstück der A39 führte. Die Gruppen Klimakollektiv und Fridays For Future, die die Fahrrad-Demo angemeldet hatten, kritisierten die Entscheidung. "Anders als die Stadt Lüneburg haben wir für unsere Anträge und Klagen keine staatlich bezahlte Rechtsabteilung im Hintergrund", sagte eine Sprecherin des Klimakollektivs und ergänzte, die Stadt "sollte sich darüber freuen, dass wir Klimaschutz in die Hand nehmen und die Demonstration ehrenamtlich organisieren, statt diese zu bekämpfen".

Gericht kippt Verbot von Fahrrad-Demo auf A28

In Oldenburg sollte ein Teil der dortigen Protestfahrt auch über die A28 führen. Der Landkreis Ammerland hatte diesen Streckenverlauf über den Autobahnabschnitt zunächst untersagt. Das Oldenburger Verwaltungsgericht hatet die Einschränkungen am Freitag per Eilbeschluss aufgehoben. Das Gericht begründete dies damit, dass auf dem Streckenabschnitt zwischen Oldenburg-Wechloy und Neuenkruge am Sonntagmorgen nicht mit viel Verkehr zu rechnen sei und das Interesse der Demonstranten an dem Protest auf der Autobahn deshalb vorgehe. Der Beschluss ist aber noch nicht rechtskräftig: Der Landkreis kann Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einlegen. Von der Kreisverwaltung gab es am Freitag zunächst keine Angaben, ob diese Möglichkeit genutzt wird.

Ausbau Südschnellweg: Bündnis fordert Schutz der Leinemasch

Auch weiter südlich formierte sich erneut Protest - und zwar gegen den Ausbau des Südschnellwegs in Hannover. Das Bündnis gegen den Ausbau des Südschnellwegs hatte gemeinsam mit "Leinemasch BLEIBT" und "Fridays for Future" zur Fahrraddemo eingeladen. "Das Festhalten an überdimensionierten Verkehrsprojekten können wir uns mitten in der Klimakrise nicht mehr leisten", teilten die Initiatoren mit. Die Gegner des Südschnellweg-Ausbaus kritisieren vor allem, dass die Fahrbahn der Schnellstraße stark verbreitert werden soll und für die Bauarbeiten Teile des Naherholungsgebiets Leinemasch zerstört werden. Start der Fahrraddemo war am Samstag um 11 Uhr am Landesverkehrsministerium. Von dort sollte es etwa acht Kilometer über den Südschnellweg in die Leinemasch gehen, an der Mahnwache waren Picknick und Musik geplant.

Weitere Informationen
Fahrradfahrer radeln auf einer von der Polizei abgesperrten Autobahn. © picture alliance/dpa/Frank Tunnat Foto: Frank Tunnat

OVG untersagt Fahrrademo auf A39 bei Braunschweig

Damit ist die Aktion endgültig verboten. Aktivisten wollten mit der Demo gegen den Autobahnausbau protestieren. (18.04.2023) mehr

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nimmt an einer Pressekonferenz teil. © dpa Foto: Christoph Soeder

Ampel-Verhandlungen: Keine Beschleunigung bei A39 und A20

Ministerpräsident Weil sieht Beschlüsse der Koalitionäre dennoch als "Durchbrüche". Jetzt müssten Gesetzentwürfe folgen. (29.03.2023) mehr

Das Bild zeigt die gefällten Bäume zum Ausbau des Südschnellwegs in Hannover. © dpa-Bildfunk Foto: Moritz Frankenberg

Südschnellweg: Umstrittener Ausbau beschäftigt Experten

Die Gruppe der Fachleute soll sich der Kritik annehmen und prüfen, ob die Ausbaupläne optimiert werden können. (22.12.2022) mehr

Demonstrierende nehmen an einer Kundgebung gegen anstehende Rodungsarbeiten für den Ausbau des Südschnellwegs (Bundesstraߟe 3) in Hannover teil, der Schriftzug "Klimaschutzarbeit - Räumen verboten" ist dabei auf einem Banner zu lesen. © dpa Foto: Moritz Frankenberg

Leinemasch und Südschnellweg: Darum geht es bei den Protesten

Der Südschnellweg in Hannover ist marode, er muss saniert werden. Dagegen regt sich Widerstand. Ein Überblick. (04.12.2022) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 23.04.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Artenschutz

A20

Straßenbau

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen

Eine Person hält einen Holzstempel mit der Aufschrift "Schulden" in der Hand. © picture alliance/Bildagentur-online/McPhoto

Landesrechnungshof: Schulden der Kommunen auf Rekordhoch

Viele Gemeinden schieben wichtige Investitionen vor sich her. Der Rechnungshof fordert für Kommunen mehr Geld vom Land. mehr