Sebastian Lechner: Der neue starke Mann der Landes-CDU
Sebastian Lechner ist heute auf dem Parteitag in Braunschweig zum Landesvorsitzenden gewählt worden. Nach dem verkorksten Landtags-Wahlkampf muss er vieles besser machen. Schafft er den Neuaufbau?
Sebastian Lechner trägt einen Kapuzenpullover. Es ist Sonntag und er ist mit seiner Frau und den drei Kindern beim Hallenfußballturnier in Wunstorf in der Region Hannover. Ein typischer Familientag. "Meine beiden Söhne spielen Fußball, der eine auch noch Handball. Und meine Kleine turnt", sagt der 42-jährige Lechner. "Und da ich die Wochenenden nutzen will, um auch was mit meinen Kindern zu machen, bin ich ziemlich oft auf solchen Veranstaltungen." Andere Eltern haben beim Hallenturnier ein buntes Buffet aufgebaut: Belegte Brötchen, Lollis, Kuchen und Pizzaschnecken lächeln Lechner an. Der CDU-Politiker entscheidet sich für eine bunte Tüte. Prüfender Blick, kurzes Rascheln und Suchen, dann zieht er eine Colaflasche hervor. "Es ist tatsächlich so, dass ich bei der Arbeit oder im Auto am liebsten immer irgendwas Saures-Süßes dabeihabe", schmunzelt Lechner. "Das müssen nicht unbedingt Colaflaschen sein. Das können auch saure Plättchen sein. Den Gegensatz aus süß und sauer mag ich gerne."
Die Niedersachsen-CDU sortiert sich neu
Eine Mischung aus süß und sauer, die erlebt Lechner gerade auch mit seiner CDU. Süß, weil der Politiker aus Neustadt am Rübenberge seinen vorläufigen Karrierehöhepunkt erreicht. Er ist bereits Oppositionsführer im Landtag und ist heute zum Chef des zweitgrößten CDU-Landesverbands in Deutschland gewählt worden. Er trat ohne Gegenkandidaten an. Sauer sind die Zeiten für die CDU, weil die Niederlage bei der Landtagswahl immer noch schmerzt. Die Partei muss das schlechteste Wahlergebnis seit den 1950er-Jahren verdauen - und das politische Aus für den Spitzenkandidaten Bernd Althusmann. Und altgediente Spitzenpolitiker spielen künftig nur noch eine Nebenrolle. Die Niedersachsen-CDU sortiert sich neu. In diesen Zeiten übernimmt Sebastian Lechner das Ruder. "Wenn man Rückhalt spürt und eine Menge Leute sagen: 'Das ist eine gute Idee', dann mach ich mich auf den Weg."
Kontakte in die Junge Union zahlen sich jetzt aus
Lechner ist die neue Nummer eins der Niedersachsen-CDU. Diese Rolle ist ihm nicht zugefallen, er hat dafür gearbeitet. Der Landtagsabgeordnete hat Netzwerke geschmiedet und Mehrheiten organisiert und so Konkurrenten schon im Vorfeld den Wind aus den Segeln genommen. Viele Junge in Partei und Fraktion stehen hinter dem 42-Jährigen. Lange Jahre hat ihr "Sebi", wie sie Lechner nennen, die Junge Union geführt - diese Kontakte zahlen sich heute aus. Dass er seinen Weg an die Spitze aber seit Jahren generalstabsmäßig vorbereitet hat, bestreitet Lechner: "Den einen Plan, den man nacheinander gegangen ist, den gibt es nicht bei mir", erläutert Lechner. "Aber ich bin mir auch bewusst, dass man Entscheidungen treffen muss - und die treffe ich auch. Das ist die machtpolitische Seite, die jeder Spitzenpolitiker braucht."
"Ich bin weiter als viele Landesminister dieser Landesregierung"
Lechner ist jemand, der viel lacht. Der keine Berührungsängste hat, jemand, der sich sicher in unterschiedlichen Welten bewegt. Eben sitzt er noch bei CDU-Chef Friedrich Merz in Berlin im Büro und steckt eine gemeinsame Linie ab. Wenig später ehrt er in Rotenburg zwischen Bier und Hochzeitssuppe langjährige CDU-Mitglieder. Bodenständig und gleichzeitig weltoffen will er sein. Lechner selbst bezeichnet sich als kommunikativ, mutig und fest verankert. Aber der neue Star der Landes-CDU kämpft auch mit einem Makel: Nicht wenige sehen in ihm den ehrgeizigen Berufspolitiker mit wenig Berührungspunkten zum echten Arbeitsleben. Der studierte Volkswirt will das nicht auf sich sitzen lassen. Darauf angesprochen, geht er Stationen aus seinem Lebenslauf durch. "Ich war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität, dann war ich vier Jahre in der Bankenwirtschaft, und dann war ich fünf Jahre geschäftsführender Gesellschafter in einer Teefirma", zählt Lechner auf. "Damit bin ich schon mal viel weiter, als viele Landesminister dieser Landesregierung an biografischem Hintergrund liefern können."
Lechner: Die CDU muss wieder näher an den Menschen sein
Und dann ist da noch ein Problem, das Lechner mitschleppt: Als CDU-Generalsekretär hat er den verkorksten Wahlkampf mit organisiert. Ausgerechnet er soll jetzt für einen Neuanfang stehen? Lechner selbst sieht das mehr als Vorteil denn als Bürde. "Ich streite die Verantwortung nicht ab. Ich sehe das aber auch als Chance, weil ich weiß, welche Fehler man kein zweites Mal macht." Er habe eine "ganze Liste von Dingen", die er anders machen will. "Ich habe sehr viel gelernt", sagt der künftige CDU-Landesvorsitzende. Lechner verspricht einen neuen Stil: Die CDU müsse die Flughöhe verringern, sagt er. Wieder näher an den Menschen sein und zuhören. Sein Wahlergebnis von 88,5 Prozent der Delegiertenstimmen zeugt von Rückhalt in der Partei.
"Ich bin Oppositionsführer und ich will den Ministerpräsidenten ablösen"
Lechners Unterstützer sehen den Parteitag in Braunschweig als entscheidenden Zwischenschritt auf dem Weg nach ganz oben. Denn als Fraktions- und Parteichef hat es Lechner in der Hand, im nächsten Landtagswahlkampf als Spitzenkandidat anzutreten. Keine Frage, er traut sich den Job zu. Lechner wird deutlich: "Die Motivation bei mir ist: Ich bin Oppositionsführer und ich will den Ministerpräsidenten ablösen." Am Ende müsse aber derjenige Spitzenkandidat werden, der die besten Chancen hat. "Das kann ein Sebastian Lechner sein, muss es aber nicht.“