Sabotage: Sicherheitsbehörden rechnen mit Angriffen in der Nordsee
Nach den mutmaßlichen Fällen von absichtlich beschädigten Kabeln am Boden der Ostsee sehen Experten auch in der Nordsee die Gefahr von Sabotage. Laut Niedersachsens Innenministerin Behrens sind die Behörden darüber in Austausch.
Denn auch in der Nordsee gibt es kritische Infrastruktur. Etwa Kabelstränge, die Strom von den großen Offshoreanlagen in der Nordsee zur Küste leiten. "Wir zielen darauf ab, bis zur Mitte des Jahrhunderts etwa ein Drittel des deutschen Strombedarfs mit Offshore-Wind zu erzeugen, davon einen großen Teil in der Nordsee. Damit ist das ein ganz kritisches Element mit der Versorgung Deutschlands", sagt Moritz Brake. Er ist Berater für maritime Sicherheit und forscht an der Universität Bonn. Doch es sind nicht nur Stromkabel. Auch Gaspipelines laufen auf dem Meeresboden, etwa von Norwegen nach Deutschland. Außerdem gehört der frequentierte Handelsweg in die Häfen zur sensiblen Infrastruktur.
Nordsee: Handelswege können verwundbar sein
"Die Nordsee hat eine wichtige Funktion für den deutschen Außenhandel, denn zum einen werden zwei Drittel der deutschen Exporte über den Seeweg transportiert und zum anderen kommen wichtige Rohstoffe für die Industrie fast ausschließlich über den Wasserweg zu uns", erklärt die Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Maike Bielfeldt. "Jede Störung durch böswillige Aktionen können also ernsthafte Auswirkungen auf den Außenhandel, die Erfüllung der Binnennachfrage und die Energieversorgung haben - für Niedersachsen und für ganz Deutschland."
Sicherheitspolitik neu denken?
Doch wer ist im Falle eines Falles zuständig, einzugreifen? Die Landespolizei ist innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone gefragt, die Bundespolizei außerhalb. Die Bundeswehr darf nur eingeschränkt tätig werden. Karsten Schneider, Konteradmiral a. D. und Präsident des Deutschen Maritimen Instituts e.V. in Wilhelmshaven mahnt neue Regelungen an. In Friedenszeiten seien die strengen Grenzen zwischen Behörden richtig gewesen - doch das machten sich die Gegner nun zu Nutze: "Da gibt es auf Anhieb kein Patentrezept. Da müssen Expertinnen und Experten die Köpfe zusammenstecken und überlegen, wie man das vernünftig regelt, ohne dass wir unsere rechtsstaatlichen Grundregeln aufgeben."
Bisher keine gemeinsamen Lagebilder
Das sieht auch Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) so. Und sie benennt ungewöhnlich offen, wie herausfordernd die Entdeckung und Abwehr der "hybriden Kriegsführung" sei. "Das ist eine Sisiphus-Arbeit und die Behörden müssen sich ständig austauschen", sagt Behrens dem NDR im Interview. Es gibt zwar Auswertungen bei Nato, EU, Bundeswehr und Polizeien, aber die sind bisher nach Informationen von Experten nicht zusammengeführt zu einem einheitlichen Lagebild.
Weitere Aktivitäten wie Cyberangriffe und Drohnenspionage
Die Innenministerin blickt nicht nur auf die Nordsee mit Sorge, sondern auch auf Cyberattacken mit Milliardenschaden und Ausspähversuche durch militärische Drohnen. "Wir gehen davon aus, dass Russland ein großes Interesse daran hat, herauszufinden, wie wir hier aufgestellt sind. Wo welche kritische Infrastruktur ist, wie unsere Bundeswehr und unsere Krankenhäuser arbeiten. Welche Punkte kann man beeinträchtigen, damit es Unruhe gibt!"
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