Nitrat im Grundwasser: Niederlande will Höfe zur Not enteignen

Stand: 26.11.2022 11:29 Uhr

In Niedersachsen ist das Grundwasser immens belastet - wegen intensiver Düngung in der Landwirtschaft. Auch die Niederlande haben dieses Problem. Nun wird zu drastischen Maßnahmen gegriffen.

von Marc Wichert

Viehbetrieben, die mit ihrer Gülle die Böden am stärksten mit Stickstoff belasten, soll ein Kaufangebot gemacht werden, kündigte die Regierung am Freitag in Den Haag an. Die Höfe sollen damit zum Umschwenken gedrängt werden. Sollten sie das Angebot ablehnen, werde ein Zwangsverkauf nicht ausgeschlossen. Wer zu viel düngt, dem droht im äußersten Fall die Enteignung.

Grundwasser muss wegen Nitrat teuer aufbereitet werden

Das Problem hinter der Maßnahme: Überall dort, wo viele Nutztiere gehalten werden, fällt entsprechend viel Gülle an - so wie in Niedersachsen eben auch in den Niederlanden. Die Gülle wird als Dünger auf die Felder ausgebracht. Doch die Mengen an Gülle und damit auch an Stickstoff können von den Böden überhaupt nicht mehr aufgenommen werden. Der überschüssige Stickstoff wird in der Folge durch Regen aus dem Boden gewaschen und gelangt als gesundheitsgefährdendes Nitrat ins Grundwasser. Um daraus noch Trinkwasser zu gewinnen, muss das Wasser aus den Tiefen des Untergrunds teuer aufbereitet werden. Zudem gelangt der Stickstoff auch in Seen, Flüsse und Meere.

Nitrat im Wasser und die Folgen

Nitrat ist ein Salz, das aus Stickstoff und Sauerstoff besteht. Es ist natürlicher Bestandteil von Düngern, wie zum Beispiel Gülle. Überschüssiger Dünger landet im Grundwasser. Naturschutzverbände kritisieren, Landwirte würden ihre Pflanzen über Bedarf düngen, nach dem Prinzip "viel hilft viel". Die Bauern entgegnen, dass sie sich das gar nicht leisten könnten. Für den Menschen ist Nitrat selbst nicht toxisch, aber Bakterien wandeln es im Körper in krebserregende Stoffe um. Erwachsene verarbeiten ein gewisse Menge Nitrat. Säuglinge aber können von zu viel Nitrat sterben - die sogenannte Blausucht nimmt ihnen die Luft zum Atmen.

Bauern-Proteste auch im Emsland

Wie auch in weiten Teilen Niedersachsens sind in den Niederlanden Grundwasser und Böden stark belastet. Die größten Verursacher sind in hier wie dort Viehbetriebe. Die niederländische Regierung hatte nach einem höchstrichterlichen Urteil entschieden, den Stickstoff-Eintrag bis 2030 um die Hälfte zu verringern, was das Aus von 30 Prozent der Viehbetriebe bedeuten könnte, so eine Berechnung der Regierung. Aus Protest gegen die Pläne hatten Landwirte wochenlang zum Teil gewalttätig protestiert. Sie hatten Mist, Müll, aber auch Asbest auf Straßen gekippt, Autobahnen blockiert, Brände gelegt und die Lager von Supermärkten blockiert. Sogar Politiker wurden bedroht. Niedersächsische Bauern solidarisierten sich mit ihren Kollegen jenseits der Grenze - etwa mit Konvois im Emsland.

Keine Neubauten auf nitratbelasteten Böden

Im Nachbarland zeitigt die Nitrat-Belastung aber auch auf einem anderen Feld Folgen: Weil der Stickstoff-Eintrag deutlich über den zugelassenen Grenzwerten liegt, sind Unternehmen oder Großprojekte aus außerhalb der Landwirtschaft blockiert. So dürfen laut einem aktuellen Gerichtsurteil bestimmte Bauprojekte in Problem-Regionen nicht mehr genehmigt werden.

Wie geht es in Niedersachsen weiter?

Davon ist Niedersachsen noch weit entfernt, ebenso wie von Enteignungen von Höfen. Dennoch gehen hierzulande die Proteste der Bauern unvermindert weiter, wenn es um Düngeregelungen geht. Erst am Freitag protestierten rund 1.000 Landwirte anlässlich des Treffens der Umweltminister in Goslar. Der Bauernverband fordert einen sachlichen Austausch über den Einsatz von Düngemitteln. Zu viele Einschränkungen bedrohten die Existenz der Betriebe in Deutschland, sagte Landesbauern-Präsident Holger Hennies. Auf der einen Seite also die Bauern, die nicht wissen, wohin mit der Gülle. Auf der anderen Seite die EU-Vorgaben zu Nitrat im Grundwasser - die neue niedersächsische Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) steht vor keiner leichten Aufgabe.

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 25.11.2022 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Massentierhaltung

Wasserqualität

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen

Boris Pistorius spricht in ein Mikrofon © picture alliance/dpa | Sven Hoppe Foto: Sven Hoppe

Boris Pistorius verzichtet auf SPD-Kanzlerkandidatur

Das erklärte er in einer Videobotschaft. Zuvor bekam er im ARD-DeutschlandTrend deutlich mehr Zustimmung als Olaf Scholz. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?