Neues Schulmodell erinnert an frühere Orientierungsstufe
In Schneverdingen im Heidekreis lernen die Schüler in Klasse 5 und 6 gemeinsam - erst danach entscheidet sich, wie es weitergeht. Der Modellversuch erinnert an die frühere Orientierungsstufe (OS).
Die Kooperative Gesamtschule Schneverdingen (KGS) hat vom Kultusministerium in Hannover die Genehmigung für eine sechsjährige Testphase bekommen. Kern des Modellversuchs: Ab dem Schuljahr 2025/26 wechseln die Kinder nach der Grundschule in die sogenannte Basisstufe an der KGS. In dieser Basisstufe werden sie in Klasse 5 und 6 gemeinsam unterrichtet. Erst dann trennen sich die Wege: Nach Klasse 6 entscheidet sich, ob die Schüler und Schülerinnen den Haupt- oder Realschulzweig oder den Gymnasialzweig der KGS besuchen.
Englisch und Mathe in A- und B-Kursen
Nicht nur der gemeinsame Unterricht in Klasse 5 und 6 weckt Erinnerungen an der Orientierungsstufe, sondern auch ein weiteres Detail: In der gemeinsamen Basisstufe findet der Mathe- und Englischunterricht in unterschiedlichen Leistungsniveaus statt, es gibt einen A-Kurs und einen B-Kurs. Auch das gab es in der früheren OS schon einmal. Nach Klasse 6 entscheiden an der KGS Schneverdingen nicht mehr die Eltern, wie es danach für ihre Kinder weiter geht, sondern die Schule. Der Notenschnitt ist entscheidend.
Ministerin Hamburg: "Schulen Freiräume ermöglichen"
"Mir ist es wichtig, den Schulen pädagogische Freiräume zu ermöglichen", begründet Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) den Modellversuch. Der Fokus des Projekts liege auf dem längeren gemeinsamen Lernen und einem stabilen Bildungsweg, so Hamburg. Einer neuen Schulstrukturdebatte erteilt sie eine Absage: "Die OS wurde damals aus guten Gründen abgeschafft, von daher würde ich sie nicht noch mal neu aufleben lassen wollen", sagt die Ministerin. "Aber ich unterstütze es, wenn Kooperative Gesamtschulen oder Oberschulen sagen, sie wollen gemeinsames Lernen ermöglichen."
KGS Wiesmoor als Vorbild
Die KGS Schneverdingen orientiert sich für ihren Versuch an den Erfahrungen der KGS Wiesmoor im Landkreis Aurich. Dort gibt es seit Jahren ein ähnliches Modell - mit Erfolg. "Die Kinder werden zwei Jahre länger gemeinsam unterrichtet. Das heißt, es gibt zwei Jahre mehr Zeit für die individuelle Entwicklung", sagt der Schneverdinger Schulleiter Mani Taghi-Khani. "Die Entscheidung nach Klasse 6 kann viel zielgerichteter sein."
Basisstufe entlastet die Eltern
Eltern seien oft unsicher, welche Schulform oder welcher Zweig der richtige sei. Viele hielten den Wechsel nach Klasse 4 für zu früh, glaubt Taghi-Khani. Das bestätigt die örtliche Elternratsvorsitzende Bianka Rogosch. Sie unterstützt die neue Basisstufe. "Den Eltern wird eine gewaltige Last genommen", erläutert Rogosch. "Eltern sind manchmal überfordert mit der Entscheidung." Das Schneverdinger Modell sieht vor, dass Familien während der Basisstufe intensiv beraten werden.
Wiederauflage der Orientierungsstufe kommt nicht
Eine Wiederauflage der Orientierungsstufe sieht das Kultusministerium in dem Schneverdinger Modell nicht. Die OS sei unter anderem deshalb abgeschafft worden, weil sie wegen der Schulwechsel innerhalb kurzer Zeit zu Brüchen im Schülerleben geführt habe, sagt Kultusministerin Hamburg. Der Unterschied in Schneverdingen sei, dass die Kinder an der KGS blieben und sich nicht an neue Lehrkräfte und Gebäude gewöhnen müssten, so Hamburg. Auch Schulleiter Mani Taghi-Khani betont: "In der Orientierungsstufe sind die Kinder nach Klasse 6 an andere Schulen gegangen - hier bleiben sie bei uns an der Schule."