"Judenpresse"-Rufe: Ex-Landeschef von Die Rechte angeklagt
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat Anklage wegen Volksverhetzung gegen den ehemaligen Landesvorsitzenden der Partei Die Rechte erhoben. Er soll Medienvertreter mit "Judenpresse" beleidigt haben.
Der Fall am Rande einer Demonstration der Kleinstpartei zum Volkstrauertag im November 2020 hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Auch wegen des Vorgehens der Staatsanwaltschaft in Braunschweig. So hatte die Behörde in den Jahren 2021 und 2023 eine Anklageerhebung geprüft, die antisemitischen Rufe jedoch nicht als strafbare Volksverhetzung ausgewiesen. Mehrere Menschen legten deswegen Beschwerde ein.
Kritiker begrüßen Sinneswandel der Staatsanwaltschaft
Darunter auch Joachim Gottschalk aus Laatzen (Region Hannover). Entsprechend begrüßt er den Sinneswandel grundsätzlich. Sagt aber auch, wer bei Begriffen wie "Judenpresse" und "Judenpack" nicht an die NS-Zeit denke, der habe deutliche historische Defizite. Die würden jetzt bei der Staatsanwaltschaft hoffentlich aufgearbeitet, sagt Gottschalk. Der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus, Gerhard Wegner, sieht in der Entscheidung eine Art Selbstkritik - und das sei anzuerkennen. Die Staatsanwaltschaft habe offenbar eingesehen, dass ihre bisherige Haltung schlicht falsch gewesen sei, sagte Wegner.
Staatsanwaltschaft übt mit Entscheidung Selbstkritik
Tatsächlich sei es als eine Art Selbstkritik zu verstehen, erklärt Oberstaatsanwalt Hans Christian Wolters dem NDR in Niedersachsen. Der Paragraf der Volksverhetzung im Strafgesetzbuch sei eben nicht schwarz oder weiß. Aufgrund der zahlreichen Beschwerden habe die Staatsanwaltschaft den Fall diesmal eigenständig ohne Anweisung der vorgesetzten Generalstaatsanwaltschaft neu bewertet, betont Wolters. Und das auch mit Blick auf die Dutzenden Vorstrafen des Beschuldigten.
Historische Quellen mit Blick auf "Judenpresse" ausgewertet
Die Behörde habe nach eigenen Angaben historische Quellen aus der Zeit des Nationalsozialismus ausgewertet - insbesondere mit Blick auf den Begriff "Judenpresse". Die Staatsanwaltschaft kam unter anderem zu der Auffassung, dass der ehemalige Landesvorsitzende "die Gesamtheit der in Deutschland lebenden Juden verunglimpfen" wollte - weshalb sie jetzt Anklage wegen Volksverhetzung und Beleidigung erhebt. In weiteren Äußerungen, wonach er anwesenden Medienvertretern "Feuer und Benzin" gewünscht hatte, sieht die Behörde eine Aufstachelung zu "Gewalt- und Willkürakten". Das Amtsgericht Braunschweig muss nun entscheiden, ob es zu einem Verfahren kommt.
In der rechtsextremistischen Kleinstpartei Die Rechte sind laut Verfassungsschutzbehörden unter anderem viele Neonazis aktiv. Bundesweit habe die Partei rund 450 Menschen Mitglieder.