Grüne Plakette ade: Hannover hebt Umweltzone endgültig auf
Autos benötigen in Hannover keine grüne Plakette mehr, wenn sie in der Innenstadt unterwegs sind. Die Stadt reagiert auf die verbesserte Luftqualität. Die Umweltzone ist damit Geschichte.
450 bis 600 Schilder müssen somit innerhalb der nächsten sechs Wochen abgebaut werden. Die Stadt begründet diesen Schritt damit, dass die Schadstoff-Grenzwerte eingehalten werden können, auch wenn die Umweltzone wegfällt. Das hätten entsprechende Prüfungen des Gewerbeaufsichtsamts Hildesheim ergeben. Demnach liegt die Stickstoffdioxid-Belastung an allen Messstationen in Hannover seit 2020 unter dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Eine Umweltzone sei daher rechtlich nicht mehr verhältnismäßig.
Saubere Luft in der Stadt: Maßnahmen in Hannover
Die Umweltzone in der Landeshauptstadt bestand rund 16 Jahre. Sie war eine Maßnahme in einem 2007 vom Rat beschlossenen ersten "Luftreinhalte-Aktionsplan". Seitdem wurden im Laufe der Jahre weitere Maßnahmen in den Luftreinhalteplan aufgenommen, um die Luftqualität in Hannover zu verbessern. Dazu gehören unter anderem:
- Tempo 30-Zonen in Wohngebieten
- Bündelung des Lkw-Verkehrs auf dem Hauptverkehrsstraßennetz
- Optimierte Ampelschaltungen, um einen flüssigen Verkehr zu gewährleisten
- Erweiterung des Infrastrukturnetzes der hannoverschen Stadtbahn
- Förderung des Radverkehrs, beispielsweise mittels Radschnellverbindungen, um mit dem Rad vom Umland schneller in die Stadt zu gelangen
- Nahversorgungszentren in den Stadtteilen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht werden können
- Ausweisung von Carsharing-Stellplätzen
- Ausbau des Bewohnerparkens, damit Pendlerinnen und Pendler verstärkt öffentliche Verkehrsmittel nutzen
- Schadstoffarme Fahrzeuge im ÖPNV
- Begrünungsmaßnahmen
- Gebührenfreies Parken für Fahrzeuge mit E-Kennzeichen
- Erhöhung der Parkgebühren auf öffentlichen Stellplätzen
- Verbesserte Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge
Und was bringt am meisten?
Dass sich die Luftqualität in Hannover verbessert hat, liegt laut Stadt an dem Bündel verschiedener Maßnahmen. Der Großteil des Rückgangs von Stickstoffdioxid in der Luft gehe vor allem auf die beschleunigte "Modernisierung der Fahrzeugflotte durch den Ersatz alter durch neue (schadstoffarme) Fahrzeuge und durch eine Nachrüstung (Partikelfilter)" zurück. Welchen ganz konkreten Anteil die Umweltzone an der verbesserten Luftqualität in Hannover hatte, sei aber nicht bekannt, hieß es auf NDR Anfrage von der Stadt.
Stadt: Luftqualität soll weiter verbessert werden
Ende Januar 2024 hatte der Rat der Landeshauptstadt nun einen aktualisierten Luftreinhalteplan beschlossen, der die Umweltzone mit ihren Fahrverboten aufhebt. Es bliebe das erklärte Ziel, die "Luftqualität und damit die Aufenthalts- und Lebensqualität in der Stadt" zu verbessern, hieß es von der Stadt. Neben Hannover haben nach Angaben des niedersächsischen Umweltministeriums auch Osnabrück, Bad Lauterberg (Ortsteil Barbis), Braunschweig, Burgdorf, Göttingen, Hameln, Hildesheim und Oldenburg Luftreinhalte-Pläne, in denen Maßnahmen für eine bessere Luftqualität festgehalten werden.
BUND kritisiert Entscheidung zur Umweltzone
Der BUND der Region Hannover kritisiert die Entscheidung der Stadt. "Wenn aus rechtlichen Gründen die Umweltzone entfallen muss, ist das einsehbar", heißt es zwar zunächst. Allerdings bleibe der Schadstoff-Austoß durch Reifen- und Bremsenabrieb und auch durch Abgase, wenn in Zukunft weniger statt mehr für saubere Luft getan werde. Der BUND meint damit zum Beispiel den Streit um die von den Grünen geplante autofreie Innenstadt von Hannover: SPD, CDU und FDP im Rat wollen bei dem Plan so nicht mitziehen. Eine gleichbleibende Feinstaubbelastung sei "eine der wesentlichen Mitursachen der weltweit zunehmenden Zahl an schweren, chronischen und tödlichen Atemwegs- und anderen Erkrankungen", so der BUND. Eine Minderung des Autoverkehrs seien zusammen mit mehr Grünzonen in der Stadt nicht nur eine Forderung des BUND, sondern auch einer der meist geäußerten Wünsche in einem Bürgerdialog zur Innenstadtentwicklung gewesen. Dieser Dialog habe, so der BUND, die ganze Breite der Stadtgesellschaft einbezogen. Dieser "scheint nun für CDU, FDP und SPD, die sich plötzlich für die Streichung wesentlicher Passagen des Luftreinhalteplans stark machen, keine Rolle mehr zu spielen".
Umweltzonen nicht mehr zeitgemäß?
Umweltzonen leisten in heutiger Zeit nicht mehr den gleichen Beitrag zu einer verbesserten Luftqualität, wie noch vor einigen Jahren, sagt dagegen Marcel Langner vom Umweltbundesamt dem NDR in Niedersachsen. Das liege daran, dass es mittlerweile kaum noch Fahrzeuge gebe, die von einer Umweltzone ausgeschlossen werden. "Die Fahrzeugkategorisierung der Umweltzonen ist überholt", so Langner. Da es bundesweit zudem kaum noch Schadstoff-Grenzüberschreitungen gebe, sei es rechtlich schwierig, Umweltzonen einzuführen oder bestehende Zonen aufrechtzuerhalten. In Teilen stimmt er dem BUND aber auch zu: Auch Elektrofahrzeuge seien nicht komplett emissionsfrei, betonte Langner. Auch von ihnen gehe eine Belastung der Umwelt aus - beispielsweise aufgrund des Reifenabriebs und einer Partikelaufwirbelung.
Ende der Umweltzone auch in Osnabrück?
Eine weitere - und nach der Aufhebung in Hannover die nunmehr einzige Umweltzone in Niedersachsen - gibt es noch in der Stadt Osnabrück. Allerdings soll auch sie überprüft werden, wie es von der Stadt auf NDR Anfrage heißt. In den vergangenen Jahren seien die aktuellen Grenzwerte an der Messstation Schlosswall sowie der Messstelle Neuer Graben für alle Parameter eingehalten worden. Der Rat der Stadt habe aus diesem Grund die Verwaltung beauftragt zu überprüfen, ob eine Umweltzone weiterhin rechtlich begründet werden kann. Bislang konnte noch nicht "rechtssicher erbracht werden", so die Stadt, ob die Schadstoff-Grenzwerte auch ohne Umweltzone eingehalten werden können. Entsprechende Verfahren und Messungen werden durchgeführt und mit dem Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim abgestimmt, heißt es. In anderen Städten in Niedersachsen, in denen keine Schadstoff-Grenzwerte überschritten werden, gibt es laut dem Umweltministerium auch keine Umweltzonen.