Landtag diskutiert über geschlechtergerechte Sprache in Behörden
SPD und Grüne wollen mehr Gleichstellung der Geschlechter. Vorangehen sollen die Behörden. Ein entsprechender Antrag wurde am Donnerstag im Landtag diskutiert. Doch dabei war vor allem Gendern Thema.
Es war eine emotionale Debatte: Das Gendersternchen benutzen oder doch lieber nicht? Wenn es nach SPD und Grünen in Niedersachsen geht, soll in Rechts- und Verwaltungsvorschriften künftig auf geschlechtergerechte Sprache gesetzt werden. Das Ziel: "auch Personen berücksichtigen, die intergeschlechtlich sind oder deren Geschlechtsindentiät nicht binär ist", wie es in dem Antrag heißt. Oder wie Thela Wernstedt (SPD) es formuliert: "Weil wir denken, dass sich Menschen, die sich nicht als Mann und Frau verorten, sich angesprochen fühlen sollen."
CDU und AfD sind gegen das Gendern
Ein Thema, das vor allem bei CDU und AfD für Widerstand sorgt. Jessica Schülke (AfD) warf den Regierungsfraktionen Ideologie und "Staatsdirigismus nach sozialistischer Manier" vor. Sophie Ramdor (CDU) zeigte sich überzeugt, das Gendersternchen oder jedwede andere Form der geschlechtergerechten Sprache mache die ohnehin schon überlastete Verwaltung noch langsamer. Außerdem argumentierte sie, dass sich Sprache zwar ändere, dies aber nur aus der Gesellschaft heraus geschehe. Und ein Großteil der Deutschen sei Studien zufolge nun einmal gegen das Gendern, sagte Ramdor. "Je mehr das Thema in die Öffentlichkeit kommt, desto mehr werden es." Nach den vielen Vorgaben der Politik während der Pandemie sollten die Menschen nicht weiter bevormundet werden. "Ich glaube, dass ein Mann nicht mehr Respekt vor dem weiblichen Geschlecht erhält, weil er bei der Arbeit dazu gezwungen wird zu gendern. Ich glaube sogar, es wird das Gegenteil der Fall sein", sagte Ramdor.
Grüne kritisieren fehlenden Fokus auf Gleichstellung
Doch um das Sprechen geht es SPD und Grünen gar nicht. Es sei widersinnig, davon zu sprechen, dass die Regierungsfraktionen die Menschen zwingen wollten, eine bestimmte Sprache zu verwenden, sagte Tanja Meyer (Grüne). Vielmehr gehe es darum, eine einheitliche Rechtssprache zu verwenden. Heißt: in Dokumenten und Anschreiben auf eine inklusive Ansprache zu setzen. Zudem kritisierte Meyer, dass in der öffentlichen Debatte der Fokus zu sehr auf das Gendern gesetzt werde und die eigentlichen Punkte in den Hintergrund rückten.
Antrag umfasst auch Teilzeitregel in Führungspositionen
Denn die Pläne der Regierungsfraktionen gehen über die Sprachregelung hinaus: SPD und Grüne fordern, dass Gremien im öffentlichen Landesdienst paritätisch besetzt werden, sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und Gewalt am Arbeitsplatz mit Präventionsmaßnahmen verhindert und Übergriffe konsequent verfolgt werden. Außerdem soll es möglich sein, in Teilzeit eine Führungsposition zu übernehmen. "Gleichstellung ist Aufgabe von uns allen. Den Dienststellen kommt dabei eine besondere Verantwortung zu", sagte Meyer. Die Sozialdemokratin Wernstedt schlug in eine ähnliche Kerbe: "Wir wollen die aktuelle gesellschaftliche Stagnation in diesem Bereich beenden und das Gleichstellungsgesetz in Niedersachsen an die heutigen Erfordernisse anpassen, um den Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes zu verwirklichen." Der Antrag wird nun vom Sozialausschuss beraten. Ob das Gesetz so wie beantragt umgesetzt wird, ist also noch offen.
Gendern wird vielerorts angewandt
Die Diskussion um gendergerechte Sprache ist nicht neu. Vor einem Jahr hatte das Kultusministerium bekannt gegeben, dass Niedersachsens Abiturientinnen und Abiturienten in ihrer schriftlichen Prüfung ab sofort gendern dürfen. Anfang 2019 hatte die Stadt Hannover mit einer Empfehlung für eine gegenderte Verwaltungssprache öffentlich eine Debatte losgetreten. Mittlerweile haben viele Kommunen, Hochschulen, Medien und Unternehmen Genderzeichen eingeführt.
Was ist Gendern?
Das Wort "gender" kommt aus dem Englischen und bedeutet "soziales Geschlecht". Beim Gendern handelt es sich um eine Sprech- und Schreibweise, die mehr als ein Geschlecht anspricht. Bisher wurde in der deutschen Sprache meist das sogenannte generische Maskulinum benutzt, also die rein männliche Form, die aber sowohl Männer als auch Frauen meinen soll. Seit Einführung der dritten Form "divers" werden zunehmend Begriffe und Varianten genutzt, die neben männlicher und weiblicher auch andere Geschlechtsidentitäten einschließen.