Ein Jahr Krieg in der Ukraine: Geschichten aus Niedersachsen
Seit dem 24. Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. In dieser Woche berichten wir täglich über Menschen, die nach Niedersachsen geflohen sind. Wie geht es ihnen heute?
Das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer, die tagtäglich russischen Angriffen ausgesetzt sind, ist unvorstellbar. Doch auch diejenigen, die ihre Heimat verlassen und in Niedersachsen eine sichere Zuflucht gefunden haben, stehen vor großen Herausforderungen. Fernab der gewohnten Umgebung müssen sie sich oft ohne ihre engsten Familienmitglieder, ohne Wohnung, ohne Job und ohne die alten Freunde zurechtfinden. Wie ist es denjenigen ergangen, die bereits am Anfang des Krieges zu uns gekommen sind? Und wie geht es eigentlich russischen Kindern in Niedersachsen, die seit Kriegsbeginn plötzlich angefeindet werden, sich manchmal sogar für ihre Sprache schämen? In der Woche, in der sich der Beginn des russischen Angriffskrieges jährt, blickt der NDR in Niedersachsen jeden Tag auf eines dieser Schicksale. Die Videos zu den Geschichten finden sie auf dieser Seite, Hallo Niedersachsen sendet sie von Montag bis Freitag täglich ab 19.30 Uhr.
Zwei ukrainische Fotografen in Niedersachsen
Wladimir Ogloblin und Olga Dolzhenko sind angesehene ukrainische Fotografen. Ihre Fotoschule im Charkiw wurde zerstört, sie flohen und landeten durch Zufall in der südniedersächsischen Provinz. Er wird in Dassel aufgenommen, sie in Einbeck-Salzderhelden. Sie fotografieren weiter, Ogloblin die Landschaft in der deutschen Provinz. Seine Fotos lässt er zum Großteil in einer benachbarten Papiermanufaktur drucken. Dolzhenko ist zur Kriegsfotografin geworden, die ab und zu nach Charkiw reist.
Ukrainische Lehrerin gibt Deutschunterricht
Liudmyla Maistro war in Friedenszeiten schon einmal als Austauschlehrerin an der Georg-von-Langen-Schule in Holzminden. Seit Kriegsbeginn arbeitet sie nun wieder dort, gibt Deutschunterricht und spielt mit den Jugendlichen Theater. Mit dabei: die ehrgeizige 17-jährige Sofia Zhyzhmarova. Sie gehörte zu den ersten Absolventinnen der Sprachlernklasse und will Abitur machen. Der Gang ans Gymnasium scheiterte, das frustrierte sie sehr. Ihre Lehrerin versucht ihr jetzt mit Spaß an der Literatur und am Theater das Leben und Lernen zu erleichtern.
Plötzlich neue Mitschüler: Ukrainische Kinder in den Schulen
Improvisationstalent war vor einem Jahr gefragt, als die ersten ukrainischen Kinder in der Grundschule Wüste in Osnabrück ankamen. Zwei von ihnen waren Maria und Kostya. Ihre Klassenlehrerin und Schulleiterin Charlotte Herges scheute sich nicht, einzelne ukrainische Wörter zu lernen, um damit das Eis zu brechen. Beide Kinder gehen auch heute noch auf die Grundschule. Maria spricht inzwischen gut Deutsch und muss sich keine Sorgen mehr um ihren Vater machen, der nun auch in Osnabrück ist. Insgesamt sind jetzt sechs ukrainische Kinder in der Grundschule. Über den landesweiten Sonderfonds "Ukraine" kann Herges eine Pädagogin einstellen, die den Kindern hilft.
Ukrainisch-orthodoxer Geistlicher strandet in Vechta und baut Gemeinde auf
Vater Petro war kurz vor Ausbruch des Krieges nach Deutschland gereist, um seine Tochter in Vechta zu besuchen. Vom Kriegsausbruch wurde er überrumpelt. Er entschied, dass er für seine Landsleute in Niedersachsen da sein möchte und blieb. Inzwischen hält er jeden Samstag und Sonntag ukrainisch-orthodoxe Gottesdienste. Das ist für die Menschen aus der Ukraine sehr wichtig, denn die russisch-orthodoxe Kirche wird von Putin politisch genutzt. Gläubige Menschen aus der Ukraine wollen daher in ihrer "eigenen" Kirche ihren Glauben pflegen - auch in Deutschland, wo es bisher kaum ukrainisch-orthodoxe Geistliche gibt. Vater Petro kümmert sich um Taufen und Beerdigungen und vieles mehr. Mittlerweile hat er seine Frau aus der Ukraine nachgeholt und besucht mit ihr zusammen einen Deutsch- und Integrationskurs.
Russen in Hannover - Zwischen Anfeindungen und neuen Freundschaften
Nach Kriegsausbruch wollten viele russische Kinder und Jugendliche nicht mehr in die Kurse des Vereins "Märchenkoffer e.V." kommen - sie wurden in der Schule gemobbt, ihre Muttersprache war ihnen peinlich. Seither ist viel passiert, erzählt Jugendleiterin Alexandra, die selbst Russin ist. Negatives wie Positives. Mittlerweile besuchen auch viele ukrainische geflüchtete Kinder die Kurse und spielen dort gemeinsam mit russischen Kindern. Das Motto lautet: Brücken bauen.