"Die Meinungsfreiheit des anderen muss man aushalten"

Stand: 23.05.2024 08:27 Uhr

Artikel 5 des Grundgesetzes ermöglicht die freie Rede. Das Strafgesetzbuch regelt, wann sie eingeschränkt werden darf. Dass Menschen glauben, die Meinungsfreiheit sei eingeschränkt, empört nicht nur Juristen.

von Angelika Henkel

"Das ist nicht nur ein Irrtum, sondern schlicht Blödsinn", sagt Frank Bornemann. Er ist Vorsitzender des Richterbundes und derzeit auch am Staatsgerichtshof in Bückeburg Richter. "Die Meinungsfreiheit bedeutet, alles sagen zu können, was man will. Es ist nicht das Recht, keine Gegenrede zu ernten. Die Meinungsfreiheit des anderen muss man aushalten."

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Die Linie des Bundesverfassungsgerichtes

Der Staat darf nur eingreifen, wenn Gesagtes, Gezeigtes oder Geschriebenes Grenzen überschreitet - zum Schutz anderer Bürgerinnen und Bürger oder des Staates. Wobei dies vom Verfassungsgericht sehr weit gefasst wird, erklärt Oberstaatsanwalt Jens Lehmann von der Generalstaatsanwaltschaft in Celle, der sich auf das Thema Meinungsdelikte spezialisiert hat: "Wir brauchen in unserem Staatswesen auch mitunter polemische Äußerungen, um auf Schwierigkeiten hinzuweisen: Wo ist da im Staat etwas faul?" Auch Fundamentalkritik müsse ausgehalten werden - das sei die Linie des Verfassungsgerichts seit Jahrzehnten.

Ähnliche Fälle - unterschiedliche Urteile

Am Ende entscheiden unabhängige Gerichte darüber, wann Rechtsverletzungen stattfinden und wann nicht. Aber wo verläuft die Linie zwischen strafbarem Inhalt und freiem Wort? Manchmal ist es ein schmaler Grat. Und das Gesetz lasse Interpretationen zu, erklärt Lehmann. So seien im Falle der Judensterne, die Impfkritiker zu Corona-Zeiten auf die Straße und in soziale Medien trugen, ganz unterschiedliche Urteile gefallen - die einen Richter hielten es für zulässige Meinungsäußerung, andere nicht.

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Die Grenzen des Sagbaren im Landtag

An einem Ort wird die Meinungsfreiheit traditionell noch besonders weit gefasst: im Parlament. Hanna Naber (SPD), Präsidentin des Landtags, leitet selbst oft die Sitzungen. Verboten sei den freien und gewählten Abgeordneten wenig, sagt sie: "Unzulässige Vergleiche mit diktatorischen Systemen, etwa mit der NS-Zeit oder der DDR, das sind persönliche Beleidigungen. Das lassen wir nicht zu. Ein Argument kann als krank oder blöd bezeichnet werden, aber nicht die Person, die das Argument äußert."

Die Klage mancher, die eigene Meinung dürfte nicht gesagt werden, hält auch sie für "Quatsch": "Klar gibt es strafrechtliche Grenzen. Aber ansonsten darf man in Deutschland alles sagen. Man darf nur nicht verlangen, dass es unwidersprochen bleibt."

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