"Catcalling": Justizministerin will Strafen für obszöne Sprüche
Es geht um anzügliche Bemerkungen auf offener Straße. "Catcalling" nennen sich umgangssprachlich solche verbalen sexuellen Belästigungen, bei denen es um Sprüche ohne Körperkontakt geht.
Als Beispiel nennt Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) einen Fall aus Mecklenburg-Vorpommern. Ein 65-jähriger Mann hatte 2016 auf offener Straße ein elfjähriges Mädchen obszön angesprochen. Der Bundesgerichtshof entschied später, dass seine Worte nicht vom Straftatbestand der Beleidigung umfasst waren.
"Ekel, Abscheu und Ängste"
Justizministerin Wahlmann sieht da deshalb eine Gesetzeslücke, die geschlossen werden müsse. Sie könnte sich vorstellen, das Strafgesetzbuch um eine neue Regel zu ergänzen. "Mit solchen Äußerungen dringen die Täter bewusst in die Privat- oder sogar in die Intimsphäre der Betroffenen ein; das löst bei vielen nicht nur Ekel und Abscheu, sondern auch Angst aus", sagte die Ministerin. "Jede sexuelle Belästigung ist darauf ausgelegt, die belästigte Person zum bloßen Sexualobjekt zu degradieren. Besonders bei jungen Menschen besteht die Gefahr, dadurch in ihrer freien Persönlichkeitsentfaltung behindert zu werden." Das sei für eine Gesellschaft nicht hinnehmbar. Ab einer gewissen Erheblichkeitsschwelle müsse die verbale sexuelle Belästigung daher strafbar sein.
Ministerin will Bundesratsinitiative
Da es sich allerdings um ein Bundesgesetz handelt, sind die Zuständigkeiten der Ministerin begrenzt. Sie will im Rahmen der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister, die im Juni in Hannover stattfindet, eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen.
CDU-Fraktion: Effizienz des Justizsystems muss gestärkt werden
Die CDU-Fraktion begrüße die Initiativen von Justizministerin Wahlmann zur Einführung von Strafen für "Catcalling" sowie "die geplante Überarbeitung und zeitgemäße Gestaltung von Strafgesetzen durch eine Kommission", sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landtagsfraktion, Carina Hermann. "Der Schutz vor Belästigung und eine moderne Ausgestaltung des Strafrechts sind wichtige Anliegen, die wir unterstützen", so Hermann weiter. "Allerdings möchten wir betonen, dass es ebenso entscheidend ist, die Effizienz des Justizsystems zu stärken." Demnach sei die Beschleunigung von Gerichtsverfahren von großer Bedeutung, denn so könne sichergestellt werden, dass Straftäter zeitnah zur Verantwortung gezogen werden. "Die CDU-Fraktion fordert von der Justizministerin in ihrem Amt als Vorsitzende der Justizministerkonferenz, sich verstärkt für schnellere Verfahren einzusetzen, um eine effektive Justiz zu gewährleisten und die Glaubwürdigkeit des Rechtssystems zu stärken", so Hermann.
Studie zu "Catcalling": Gravierende Folgen für Betroffene
Das kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen mit Sitz in Hannover hatte 2021 eine Online-Umfrage durchgeführt, in der mehr als 3.900 Personen - fast alle Frauen - Auskunft über ihre Erfahrungen gaben. Fast alle Befragten hatten in ihrem Alltag "Catcalling" mehr oder weniger intensiv erlebt, teils mit gravierenden psychologischen Folgen.