Stand: 10.12.2017 12:55 Uhr

Carbon - Ein Werkstoff der Zukunft

von Claudio Campagna

Immer wenn Dinge bewegt werden, wird dabei Energie verbraucht. Treibstoffe im Flug-, Schiffs- oder Straßenverkehr belasten die Umwelt und kosten Geld. Wie könnte das besser gehen? Ein wenig bekanntes Innovations-Zentrum tüftelt daran. Im niedersächsischen Stade liegt das CFK Valley, wo sich alles um Carbon dreht. Etwa 3.000 Menschen arbeiten dort in verschiedenen Forschungs-Einrichtungen und Unternehmen.

Die Airbus-Fertigungshalle in Stade: Eine Maschine legt unzählige dünne Carbon-Bänder übereinander; nach und nach wird so ein Flugzeug-Flügel daraus. Der A350 besteht inzwischen schon zur Hälfte aus Carbon. Genauer: aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff, kurz: CFK. "Carbon-Fiber ist der Werkstoff, der gegenüber Metall einen Gewichtsvorteil von circa 25 Prozent bietet", erklärt Produktionsleiter Egon Adomat. "Es geht darum, natürlich, effizienter fliegen zu können." Also kostengünstiger und umweltschonender. Ein leichtes Carbon-Flugzeug benötigt wesentlich weniger Treibstoff als eines aus Metall.

Die Carbon-Herstellung verschlingt viel Energie

Ein Manm mit Schutz-Handschuhen holt Carbon-Bänder aus einem Karton.  Foto: Claudio Campagna
AUDIO: Wo lohnt sich der Einsatz von Carbon? (4 Min)

Herauszufinden, wo sich dieser Effekt sonst noch nutzen lässt, daran arbeiten und forschen die Unternehmen unter dem Dach des CFK Valley. Ein Problem, das sie dabei lösen müssen, ist, dass Carbon in der Herstellung eine Menge Energie verschlingt. Deshalb wird ganz genau gerechnet. "In erster Linie ist es für die Luft- und Raumfahrt interessant, wo jedes Kilogramm zählt", sagt der Vorstandsvorsitzende des CFK Valley Stade, Gunnar Merz. "Wenn man sich einen Pkw anschaut, dann muss der schon 200.000 Kilometer fahren, bevor man da in die Gewinnzone kommt."

Transporter werden viel leichter

Bei Nutzfahrzeugen lohnt sich der Einsatz von Carbon schon eher, weil sie schwerer sind und auch viel länger fahren. Hier setzt zum Beispiel die Carbon Truck & Trailer GmbH an. Die Prototypen-Werkstatt des jungen Unternehmens befindet sich nicht weit vom Airbus-Werk entfernt. Im Gegensatz zu dessen riesigen Hallen wirkt sie aber fast wie die Garage eines Heimwerkers. Vor der Tür parkt ein Transporter. "Alles, was unter dem Fahrzeug ist, das ist normalerweise das Stahl- oder im besten Falle Alu-Chassis", sagt Projektleiter Georg Wende. "Aber hier, das ist unser kohlenstoffverstärkter Kunststoff: CFK." Normalerweise wiegt so ein Fahrgestell mehr als 200 Kilogramm; doch aus Carbon sind es nicht einmal 50 Kilogramm.

Studenten widmen sich dem Carbon

Das gleiche Prinzip wenden die Studenten des Hansecampus in ihren Projekten an. Der Hansecampus ist eine private Hochschule, an der sich Carbon studieren lässt. In der hochschuleigenen Werkstatt basteln die Studenten zum Beispiel an Hubschraubern oder Drohnen aus Carbon. Finn Rutha hat sich sein altes Motorrad vorgeknöpft und Stück für Stück die Metall-Teile durch Carbon ersetzt. "Das erste Ziel ist es zu lernen", sagt Rutha. "Und natürlich ist es schön, wenn man ein schnelles Motorrad dabei kriegt."

Carbon recyceln?

Die Studenten profitieren von der Nähe zu den Unternehmen und bringen später ihr Know-how wieder dort ein. Im Austausch zwischen Forschung und Industrie - so die Idee - sollen Innovationen entstehen; zum Beispiel weniger energieintensive Herstellungsverfahren. Der Professor für Faserverbund-Technologie Wilm F. Unckenbold sieht einen wichtigen Schritt in der Wiederverwertbarkeit von Carbon. "Es gibt jetzt die ersten Bauteile, die mit Kohlenstoff-Fasern aus einem recycelten Prozess hergestellt werden. Und dann ist das mit dem Energie-Thema auf einmal wieder interessant. Denn das Wiedergewinnen der Kohlenstoff-Fasern ist lange nicht so energieaufwendig."

Formel-1-Wagen, Prothesen und Tennis-Schläger

Carbon ist der Werkstoff der Zukunft - davon sind die Mitglieder des CFK Valley überzeugt. Die Anwendungsmöglichkeiten scheinen unbegrenzt. Formel-1-Autos werden aus Carbon gemacht und Tennis-Schläger, aber auch orthopädische Prothesen und Rotorblätter von Windkraftanlagen. Demnächst soll sogar das erste Wohnhaus aus Carbon entstehen.

Und auch der Standort Stade wächst. Im Vorstand spricht man schon davon, dass sich die Hanse-Stadt zur "Carbon-Stadt Stade" entwickeln könnte. "Davon träumen wir", sagt der Vorstandsvorsitzende Merz.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 08.12.2017 | 08:38 Uhr

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