Stand: 21.11.2012 18:58 Uhr

Ausgebeutet: Billiglöhner aus Osteuropa

von Andreas Hilmer, David Hohndorf
Arbeiter im Containerhafen in Hamburg © Hafen Hamburg Marketing e.V./ Hettchen
Oft sind Arbeiter aus Osteuropa als offiziell Selbstständige für einen Hungerlohn tätig.

Kerim und Ahmed sind Brüder. Sie leben gemeinsam in einem 16-Quadratmeter-Zimmer, irgendwo im Süden Hamburgs. Obwohl die beiden Bulgaren seit vier Jahren in Deutschland sind, sind ihre Sprachkenntnisse mangelhaft. Kontakte zu Deutschen haben sie nicht. Sie sind nur hier um zu arbeiten.

Kerim und Ahmed leeren Container im Hafen, mit den Händen. Das ist Arbeit auf Zuruf, der Anruf erfolgt am Tag zuvor. Wenn sie Arbeit haben, verdienen sie rund 30 Euro pro geleertem Container. Wenn es gut läuft, macht das rund  600 Euro im Monat. Davon behält ihr Auftraggeber jedoch 350 Euro gleich wieder ein, denn er stellt ihnen auch das Zimmer. Der Abzug ist für die Miete.   

VIDEO: Ausgebeutet: Billiglöhner aus Osteuropa (12 Min)

Ausgebeutet und Fallen gelassen

So wie Kerim und Ahmed geht es vielen Tausenden Billiglöhnern aus Osteuropa. Sie kommen mit Bussen aus Polen, Bulgarien,  Rumänien und dem Balkan, aus EU-Ländern, in denen sie weder Arbeit noch Perspektive haben. Hier hoffen sie auf das schnelle und gute Geld - und fallen herein auf windige Unternehmer, die sie ausbeuten und dann fallen lassen.

Der Trick ist ganz legal: Arbeitswillige werden teilweise schon in ihren Heimatländern von Unternehmern angesprochen, die sie mit großen Versprechungen nach Deutschland locken. Gezahlt wird nach einheimischem, also zum Beispiel polnischem Tarif. Zudem sorgt der Unternehmer für ein Dach über dem Kopf. Doch das sind meist Sammelunterkünfte, mit mehreren Billigarbeitern in einem einzigen Zimmer. Aber gezahlt wird pro Nase, den Reibach macht der Unternehmer. Dieser zahlt für deutsche Verhältnisse einen geringen Lohn, bekommt gutes Geld für miserable Zimmer und kann sich doch gewiss sein, dass sich die Mehrzahl der Billiglöhner nicht wehrt. Denn schlechte Arbeit ist für die meisten von ihnen besser als keine.

Rechtlos ausgeliefert

Arbeitswillige aus Rumänien und Bulgarien, so wie Kerim und Ahmed,  bräuchten in Deutschland theoretisch eine "Arbeitsgenehmigung". Faktisch bekommt diese jedoch kaum einer, da sie an so hohe Hürden gekoppelt ist, dass diesen Weg keiner der Arbeiter gehen kann. Stattdessen melden sie ein Gewerbe an, um hier zu arbeiten, sind mit dem Gewerbeschein als "Selbstständige" unterwegs. Da sie aber keinerlei Kenntnisse des Deutschen Arbeitsrechts  haben, sind sie dem Unternehmer, der ihnen Arbeit verschafft, rechtlos ausgeliefert.

Wie gut dieses System  funktioniert, belegen aktuelle Zahlen: Meldeten 2007 nur 341 Bulgaren ein Gewerbe in Hamburg an, so waren es 2011 bereits 1655, fünfmal so viele wie fünf Jahre zuvor.  Eine Parallelwelt - mitten unter uns.

 

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 20.11.2012 | 21:15 Uhr

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