Zeugen Jehovas: Überlebende sprechen über Amoklauf
Großveranstaltung unter besonderen Sicherheitsmaßnahmen: Der Sommerkongress der Zeugen Jehovas in Hamburg. Rund 9.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Norddeutschland haben am Sonnabend den Weg in die Barclays Arena gefunden, erstmals seit der Corona-Pandemie. Unter ihnen sind auch Überlebende der schrecklichen Ereignisse in der Nacht des 9. März dieses Jahres.
Die tödlichen Schüsse im Gemeindezentrum der Zeugen Jehovas in Alsterdorf schockierten nicht nur die Menschen in Hamburg, sie lösten weltweit Bestürzung, Trauer und Anteilnahme aus. Am Ende sind acht Menschen tot, darunter auch der Attentäter Philipp F. Zahlreiche Verletzte mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Das beherzte Eingreifen der Polizei verhinderte noch mehr Opfer. 135 Tage später äußern sich sechs der Überlebenden erstmals vor der Kamera zu den damaligen Ereignissen und der Zeit danach.
Große Anteilnahme aus aller Welt
Im Gespräch mit dem Hamburg Journal erzählt Fee: "Mich hat berührt, was für eine Welle der Anteilnahme auf uns gestoßen ist. Also, wir haben Briefe erhalten aus aller Welt. Aber auch noch an dem Abend, wie wir da gleich geschützt wurden, wie schnell die Polizei da war, wie lieb sich dann auch um uns gekümmert wurde." Und Kevin sagt, dass er sich freue heute hier zu sein. Man sehe so viele freundliche und lächelnde Gesichter, das stecke einfach an und ja, das lasse ihn nicht unberührt.
Jonathan geht es gut, obwohl er schwer verletzt war
Auch Jonathan hat die Amoktat überlebt: "Also, es hört sich vielleicht verrückt an, aber es geht mir richtig gut und das, obwohl ich vor vier Monaten schwer verletzt war. Also, es ist so, dass die Ärzte gesagt haben, dass ich durch meine gut trainierte Lunge in der Lage war, das Lungenvolumen aufrecht zu erhalten, trotz vier Löcher in der Lunge und das hat mir offenkundig das Leben gerettet." Julien berichtet, dass es den Alltag, wie er ihn vor dem März erlebt habe, nicht mehr für ihn gebe:
"Es wird einen neuen Alltag geben. Und Wochenenden wie diese helfen mir, herauszufinden: Was wird das für ein Alltag."
Und Marcel erzählt: "Also, es vergeht kein Tag, an dem wir nicht an den 9. März denken, aber wir gehen mittlerweile objektiver damit um. Also, wir schauen, was wir mit dieser Information angehen können, ob es hilft, ein Puzzleteil zu vervollständigen oder ob es vielleicht auch einfach nur ein Gedanken-Kreislauf ist, der uns nicht gut tut."
Noch ein paar schlechte Tage - die guten werden aber mehr
Mary ist ebenfalls zum Sommerkongress gekommen und erzählt, dass sie therapeutische Hilfe in Anspruch genommen hat. "Aber ich habe auch eine sehr gute Osteopathin, habe körperlich aufgebaut, aber auch psychisch geht es mir wieder sehr gut. Von daher hat man natürlich ab und zu noch ein paar schlechten Tage, aber die guten werden immer mehr und immer besser." Und Fee ergänzt: "Wir nehmen gerade einen Tag nach dem anderen und heute ist ein guter Tag, und wir freuen uns auf heute und auf auch morgen."
Starker Zusammenhalt und der Glaube helfen
Der starke Zusammenhalt innerhalb der Gemeinden und ihr Glauben habe ihnen geholfen, die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten. Michael Tsifidaris, Sprecher der Zeugen Jehovas für die Region Norddeutschland, sagt: "Ich denke, das ist ein leuchtendes Vorbild und das inspiriert auch andere Menschen, die Opfer von irgendwelchen anderen schrecklichen Katastrophen werden, zu lernen, dass wir nicht Opfer unserer Umstände sein müssen. Und dass es einen Weg nach vorne gibt." Ein Weg, auf dem Überlebende und Angehörige auch weiterhin jeden Tag Kraft brauchen werden.