Stand: 16.02.2016 16:45 Uhr

Viele Feuerwehren zu spät am Einsatzort

von Leonie Puscher und Ingo Thöne

Mila Novosad hat ihren Nachbarn noch um Hilfe rufen hören. Der Qualm kam aus den Türspalten, der Flur wurde immer wärmer. Als die Feuerwehr kam, war es für den Bewohner der Hamburger Wohnung zu spät. Er war verbrannt.  

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Richtlinien gelten bundesweit

In einer Vielzahl norddeutscher Städte kommt die Feuerwehr häufig zu spät oder mit zu wenigen Einsatzkräften zum Brandort. Dabei gibt es klare Vorgaben: Acht Minuten nach Eingang des Notrufes soll die Feuerwehr mit zehn Einsatzkräften vor Ort sein. Dieser Trupp ist primär für die Menschenrettung zuständig. Nach weiteren fünf Minuten soll ein Fahrzeug mit weiteren sechs Einsatzkräften vor Ort sein. Dieser Trupp kümmert sich um die Brandbekämpfung. Aufgestellt hat diese Zahlen die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF). Basierend auf dem Stand der Technik, sollten diese Richtlinien bundesweit gelten und in mindestens 95 Prozent der Fälle eingehalten werden.

Vorgegebene Ziele werden in zehn Städten nicht erreicht

Laut einer aktuellen Umfrage von Panorama 3 werden in zehn großen norddeutschen Städten diese Ziele nicht erreicht. Hier kommt man entweder später oder mit weniger Einsatzkräften. Auch in Hamburg ist das so. Daniel Dahlke ist Feuerwehrmann und stellvertretener Vorsitzender des Berufsverbandes Feuerwehr. Er selbst schätzt die Situation in Hamburg kritisch ein: "Momentan schaut es in Hamburg so aus, dass es Glückssache ist, wo man wohnt und wie viel Brandschutz wir als Feuerwehr gewährleisten können. Im innerstädtischen Bereich sieht es sehr gut aus. Wohnt man ein Stückchen außerhalb und ich rede nicht von einer freien Prärie, sondern Stadtteilen, die auch dicht besiedelt sind, eine große Menschendichte haben wie Niendorf, Langenhorn, Rissen - da können wir das nicht gewährleisten. Wir sind strukturell gar nicht in der Lage, durch einzelne Feuerwachen, die dort nötig wären, die rechtzeitige Hilfe zu gewährleisten.“

Brandschutzexperte Manfred Fennen erläutert: "Wir akzeptieren in Deutschland jedes Jahr, dass wir zwischen 400 und 600 Brandtote haben. Die Politik muss für den Bereich des abwehrenden Brandschutzes effektivere und effizientere Konzepte aufstellen. Sehr häufig haben sie alte gewachsene Strukturen, die den heutigen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden.“

Aufgeweichte Ziele

Auch in Bremerhaven kann die Feuerwehr den heutigen Standards nicht gerecht werden. Die Stadt hat sich stetig vergrößert, trotzdem gibt es nur eine Feuerwache. In der Schwesterstadt Bremen geht man einen ganz anderen Weg: Hier ärgert man sich nicht über eine Nichterreichung der AGBF-Richtlinien. Hier ändert man einfach die Ziele: Statt zehn Feuerwehrleute in acht Minuten, kommen hier nur acht Feuerwehrleute nach 11,5  Minuten zum Brandort.

Diese aufgeweichten Ziele wollte man nun auch für Bremerhaven verbindlich machen. Das Büro des Bremer Innensenators bestätigte gegenüber Panorama 3 die Absicht, das Bremische Hilfeleistungsgesetzt so zu ändern, dass man sich in Bremerhaven an den Zielen von Bremen orientieren muss. Diese Änderung sollte im Frühsommer 2016 in Kraft treten.

Sinneswandel beim Innensenator

Doch bei einem Interview mit Panorama 3 hat man dann in Bremen seine Meinung geändert. "In Bremerhaven sollen sie machen, was sie wollen", so Innensenator Ulrich Mäurer zum NDR. Ein sehr plötzlicher Sinneswandel.

In den Städten geht das Feilschen um finanzielle Mittel weiter. Sparmaßnahmen von der Politik, Einsparungen und Umschichtungen, wo es geht. Die bundesweiten AGBF-Schutzziele sind organisatorisch für viele Feuerwehren nicht zu schaffen. Doch Brandschutzexperte Manfred Fenner weiß: "Wenn man von den Schutzzielen abweicht, ist das natürlich auch immer ein Sicherheitsverlust für die Bürger."

 

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 16.02.2016 | 21:15 Uhr

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