Pogromnacht vor 85 Jahren: Hamburg gedenkt der Opfer
Am 85. Jahrestag der Pogromnacht ist in Hamburg am Donnerstag der von den Nationalsozialisten ermordeten Jüdinnen und Juden gedacht worden. Bei der Hauptgedenkveranstaltung spielten auch der aktuelle Nahost-Konflikt und die jüngsten anti-israelischen Demonstrationen eine Rolle.
Senat und Bürgerschaft sowie die Jüdische Gemeinde erinnerten an die Zerstörung der Bornplatzsynagoge durch die Nationalsozialisten. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bekräftigte am Donnerstag, dass das Gebäude im Grindelviertel wieder aufgebaut werde. Bei der Gedenkveranstaltung versammelten sich nach Angaben der Polizei mehr als 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das Motto der Veranstaltung lautete "Nie wieder ist jetzt".
Tschentscher: "Hamburg steht an der Seite Israels"
Tschentscher betonte: "Hamburg steht für eine weltoffene, tolerante Gesellschaft und hat keinen Millimeter Platz für Antisemitismus. Angesichts des Terrors der Hamas stehen wir fest an der Seite Israels." Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hamburg, Philipp Stricharz, forderte, Deutschlands Demokratie müsse wehrhaft bleiben. "Dazu gehört auch, für das Recht anderer Demokratien einzustehen, sich gegen barbarische Angriffe zur Wehr zu setzen", sagte Stricharz mit Blick auf die israelische Militäroperation gegen die Hamas im Gazastreifen. Zur deutschen Demokratie müsse auch gehören, dass man sich ohne Sorge und jederzeit als jüdischer Deutscher zu erkennen geben kann. Das sei nicht der Fall, beklagte der Gemeindevorsitzende und fügte hinzu: "Solange wir Hassparolen und Terrorrelativierungen auf unseren Straßen dulden, wird sich daran nichts ändern."
Bürgerschaftspräsidentin Veit betont Solidarität mit Juden
Bürgerschafts-Präsidentin Carola Veit (SPD) sagte, das Parlament der Hansestadt habe sich klar und deutlich zur Solidarität mit Israel bekannt. Der zunehmend sichtbare Antisemitismus mache ihr Sorgen. Hamburg stehe an der Seite der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. "Es ist unsere Verantwortung, dass jüdisches Leben sichtbar sein kann und Jüdinnen und Juden ihren Glauben frei und sicher ausleben können", sagte Veit.
"Wir werden uns nicht verstecken"
Daniel Sheffer, Vorsitzender des Stiftungsrats Bornplatzsynagoge, sagte: "Vor 85 Jahren wollten uns die Nazis vernichten. Aktuell sind unsere Leben wieder bedroht. Doch wir werden uns nicht verstecken!" Der türkischstämmige Journalist Deniz Yücel appellierte an die islamischen Verbände, sich im eigenen Interesse von den "dschihadistischen Massenmördern der Hamas" zu distanzieren. "Man kann sich nicht damit rausreden, dass all das nichts mit dem Islam zu tun habe." Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs forderte klare Worte gegen den Hass. Als Vorsitzende des Interreligiösen Forums - an dem neben Christen, Juden, Buddhisten auch der Rat der islamischen Gemeinschaften (Schura) beteiligt ist - sage sie: "Wir dürfen unsere heiligen Schriften mit ihrer Friedensbotschaft nicht den Fanatikern überlassen."
Auch Klima-Aktivistin Neubauer hält eine Rede
Klima-Aktivistin Luisa Neubauer erinnerte an ihren Urgroßvater, der wegen seines Widerstandes gegen die Nationalsozialisten im KZ Stutthof bei Danzig ermordet wurde. Sie sagte, erinnern heiße, aufzustehen und zu intervenieren, wenn Diskriminierung und Antisemitismus wieder überhand nehmen. Auf die jüngsten Äußerungen von Greta Thunberg ging Neubauer nicht ein. Die schwedische Ikone der Bewegung "Friday for Future" hat sich in den vergangenen Wochen mehrfach gegen Israel geäußert und dem jüdischen Staat ethnische Säuberungen, Apartheid und Völkermord vorgeworfen.
Frauen aus Israel berichten über Ermordung ihrer Angehörigen
Zwei Frauen aus Israel berichteten von der Ermordung und Entführung ihrer Familienangehörigen. "Der 7. Oktober verwandelte unser Leben in einen Alptraum", sagten Lior Katz-Natanson und ihre Nichte Mika aus dem Kibbuz Nir Oz im Zusammenhang mit dem Hamas-Angriff. Sie baten um Hilfe, ihre geliebten Angehörigen nach Hause zu bringen.
Pogromnacht: Bornplatzsynagoge geplündert
Die Bornplatzsynagoge im Hamburger Grindelviertel war in der Nacht zum 10. November 1938 geplündert und geschändet worden. 1939 wurde die Jüdische Gemeinde zum Abriss des Gebäudes gezwungen, das Grundstück wurde von den Nazis enteignet. Erst am 27. September hatte die Bürgerschaft einstimmig beschlossen, das Grundstück der Gemeinde zurückzugeben.
Stolpersteine putzen gegen das Vergessen
Viele Menschen in Hamburg gedachten der von den Nazis ermordeten Jüdinnen und Juden, indem sie einige der mehr als 7.000 Stolpersteine in der Stadt putzten oder Grablichter daneben aufstellten. Interessierte können sich auf der Internetseite der Hamburger Stolperstein-Initiative oder über die App "Stolpersteine Deutschland" über die Menschen informieren, derer mit den Gedenksteinen gedacht wird.
Pogromnacht vor 85 Jahren
Am 9. November 1938 hatten die Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen in der Pogromnacht Synagogen in ganz Deutschland angezündet. Auch in Hamburg wurden etliche jüdische Einrichtungen zerstört, darunter die Bornplatzsynagoge. Das Bethaus war bis 1938 das Wahrzeichen jüdischen Lebens in der Hansestadt, das größte jüdische Gotteshaus Norddeutschlands und soll nun wieder aufgebaut werden.