Opfer unter Schock, Polizei unter Druck
Die Große Freiheit in Hamburg. Das Party-Zentrum der Stadt, direkt an der Reeperbahn. Vor allem Silvester finden hier die größten Partys im Jahr statt. Doch dieses Jahr war es anders als in den Jahren zuvor. Was in der Silvesternacht noch unklar war, zeigte sich in den darauf folgenden Tagen immer mehr: Unbekannte Männergruppen haben offenbar Frauen sexuell belästigt und bestohlen - ähnlich wie es am Kölner Hauptbahnhof und in Stuttgart passiert ist. Seit der Silvesternacht erstatten immer mehr Frauen Anzeigen bei der Hamburger Polizei. Die Zahl der berichteten Übergriffe steigt stetig. Doch was passierte in dieser Nacht wirklich?
Panorama 3 hat mit zahlreichen Zeugen gesprochen, die am Silvesterabend auf dem Hamburger Kiez gearbeitet haben. Türsteher Riu Ludin hatte Dienst auf der Großen Freiheit. "Ab viertel nach eins habe ich nur noch gedacht. Hilfe, wo kommen die ganzen Leute her? Die Straße war voll, so etwas habe ich hier noch nie erlebt." Nach dem Feuerwerk füllt sich die Reeperbahn. Die Polizei geht von 50.000 Feiernden aus. Viele davon stürmen die Große Freiheit, versuchen in die Clubs zu gelangen.
So auch die 22-jährige Janin B. und ihre Freundin Lea. Die jungen Frauen möchten in ihre Stammdiscothek, direkt am Anfang der Straße, Nähe Beatles-Platz. Doch auf der Straße wird es zwischen den Clubs immer enger und voller. Nach wenigen Schritten Menge verliert Janin ihre Freundin in der Menschenmenge. Sie wird festgehalten. "Sie haben meine Arme nach hinten gezogen. Dann sind sie mir an die Brüste gegangen, an den Po. Ich hatte ein Kleid an. Sie haben in meine Strumpfhose rein gegriffen und mich mit der Hand unten aggressiv angefasst. Ich war hilflos und hatte keine Chance."
Janin kann sich nicht befreien und schreit um Hilfe. Doch es ist laut auf der Meile. Türsteher Riu Ludin bemerkt die junge Frau und kann sie aus dem Gedränge befreien. Die Fummler sind hingegen längst wieder bei anderen Frauen zugange, so der Türsteher.
Kritik an der Polizeipräsenz
Er kritisiert vor allem die Polizeipräsenz am Tatort. Die ist zwar mit zwei Hundertschaften auf dem Kiez, doch es sollen angeblich nur wenige Polizisten auf der Großen Freiheit gewesen sein: "Ich schaute nach links und nach rechts und sah nirgends Polizeiwagen, noch nicht mal Streifenbeamte, die hier die Straße hoch und runter gegangen sind." Die Polizei gibt dagegen an, sie sei die ganze Zeit auf der Großen Freiheit präsent gewesen. Gegen zwei Uhr wird die Große Freiheit von der Polizei wegen Überfüllung gesperrt und teilweise geräumt. Doch die Beamten gehen zu diesem Zeitpunkt noch nicht von außergewöhnlichen Vorkommnissen aus. In der Silvesternacht gab es laut Angaben der Polizei auf der Davidwache nur sechs Anzeigen wegen sexueller Belästigung und Diebstahl. Und es habe auch nur einen Notruf wegen sexueller Belästigung gegeben. Nicht ungewöhnlich in so einer Nacht. Das sieht nun anders aus. Mittlerweile liegen mehr als 150 Anzeigen wegen sexueller Belästigung vor, nur in etwa einem Drittel der Fälle standen die Taten in Zusammenhang mit Diebstählen.
Immer noch keine Tatverdächtigen
Wer waren die Täter? Festnahmen gab es bislang nicht. Mehr als eine Woche nach den Vorfällen gibt es offenbar auch noch keine Tatverdächtigen. Nach Aussagen der Zeugen handelt es sich wahrscheinlich um Migranten. Viele beobachten Männergruppen mit dunklen Haaren, dunklen Augen und dass die Täter kein deutsch sprachen. Janin B. muss den Schock erst einmal verdauen und will nun auch Anzeige erstatten: "Mir ist alles nochmal wie ein Film durch den Kopf gegangen. Es war echt der Horror."
Kiez in Aufruhr
Eine Ermittlungsgruppe wurde inzwischen eingerichtet. Die Polizeipräsenz auf der Reeperbahn und der Großen Freiheit wurde verstärkt. Auch werden am Wochenende nach Silvester auffällig viele südländisch aussehende Männer kontrolliert. Der Kiez ist in Aufruhr. Die Angst vertreibt viele Kunden und das sehen Betreiber und ihre Mitarbeiter nicht so gern.