Nach Geiselnahme in Hamburg: Flughafen will reagieren
Im Juli gelangten Klimaaktivisten und -aktivistinnen aufs Rollfeld des Hamburger Flughafens, am Sonnabend fuhr ein 35 Jahre alter Geiselnehmer mit seinem Pkw neben ein Flugzeug und legte den Airport für 18 Stunden lahm. Die Sicherheitslage sorgt für viel Kritik. Der Flughafen will reagieren.
Der Airport will sein Sicherheitskonzept - zusammen mit den Behörden - noch einmal überprüfen. Solche Vorfälle würden zeigen, dass die Sicherheitskonzepte mit allen Beteiligten laufend neu bewertet werden müssten, sagte Flughafen-Sprecherin Katja Bromm am Montag. Das gelte für die gesamte kritische Infrastruktur. "Sie können sich sicher sein: Wir haben Kontakt zu den Behörden aufgenommen und machen unsere Hausaufgaben." Sicherheitskonzepte seien nicht statisch, sondern müssten immer wieder angepasst werden.
"Bauliche Maßnahmen auf den Weg gebracht"
Seit der Blockade des Flughafens durch Klimaaktivisten und -aktivistinnen im Juli sei neue Video- und Zaun-Sensorik im Test. "Und wir haben die Mann-Stärke verändert", so Bromm. Außerdem seien nach der Geiselnahme am Wochenende erste bauliche Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, sagte die Sprecherin - ohne Details zu nennen. "Wir werden weitere bauliche Maßnahmen umsetzen, um mögliche Zugangspunkte zum Sicherheitsbereich zu verstärken."
Airport: "Sicherung entspricht den Vorgaben"
Zuvor hatte der Flughafen Hamburg bekannt gegeben, es habe keine Versäumnisse bei der Sicherung des Airports gegeben. Die bisherige Sicherung des Geländes entspreche allen gesetzlichen Vorgaben und übertreffe diese größtenteils. Dennoch könne nicht ausgeschlossen werden, "dass ein hochkrimineller, unbefugter Zutritt zum Sicherheitsbereich mit brachialer Gewalt erfolgen kann". Wenn es nicht möglich sei, das gewalttätige Eindringen zu verhindern, dann habe es für den Flughafen oberste Priorität, den oder die Täter schnellstmöglich zu stoppen. Wichtig sei dabei der funktionierende Mix aus technischen Maßnahmen und physischer Präsenz der Sicherheitskräfte. Die Sicherheitskräfte waren den Flughafenangaben zufolge in Minutenschnelle vor Ort und der Flugbetrieb sei eingestellt worden.
Viel Kritik an Sicherheitsmaßnahmen
Nach der Geiselnahme hatte es viel Kritik daran gegeben, wie einfach der Geiselnehmer mit seinem Pkw auf das Rollfeld gelangen konnte. Der Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei, Rafael Behr, sagte NDR 90,3, das Sicherheitskonzept müsse auf den Prüfstand: "Ich kann auch nicht verstehen, dass die Flughafengesellschaft sich jetzt auf die rechtlichen Vorgaben zurückzieht, die wohl nichts Schärferes bestimmen. Rechtliche Vorgaben zu erfüllen, ist das eine. Aber wenn wir in die Welt schauen, sehen wir doch, dass sich Täter nicht darum scheren, welche rechtlichen Vorgaben erfüllt sind oder nicht. Sondern man muss doch schon dieses sensible Verkehrsgeschehen besser schützen. Und das muss unbedingt auf den Prüfstand gestellt werden." Die Flughafengesellschaft sei gut beraten, die Zugänge zu erschweren.
Polizeigewerkschaft: "Gesetzgeber ist gefordert"
Andreas Roßkopf, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte im Gespräch mit NDR Info: "Uns wurde am Wochenende aufgezeigt, wie anfällig und schwach unsere kritische Infrastruktur ist." Der Gesetzgeber sei nun gefordert, das Gesetz zum Schutz kritischer Infrastruktur anzupassen und neu auf den Weg zu bringen. "Das muss jetzt sehr schnell passieren."
Teggatz: "Flughäfen werden stiefmütterlich behandelt"
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Heiko Teggatz, sagte: "Es ist nur schwer vermittelbar, dass etwa Weihnachtsmärkte mit Betonbarrikaden gesichert werden, und unsere Flughäfen werden als Hochsicherheitsbereiche von Betreibern stiefmütterlich behandelt." Die Politik unternehme zu wenig, um Betreiber zu mehr Schutz zu zwingen. "Da vermisse ich auch eine Initiative von Bundesinnenministerin Nancy Faeser", sagte Teggatz. "Offensichtlich zwingt niemand die Flughafenbetreiber ernsthaft, Sicherheitsmaßnahmen so hochzufahren, dass es zu solchen Vorfällen schlicht nicht mehr kommen kann." Flughafenbetreiber müssten mit Sanktionen belegt werden, wenn die Sicherheitsvorschriften nicht nach dem neuen Gesetz zum besseren Schutz kritischer Infrastruktur eingehalten würden.
"Flughäfen besser vor Terroristen schützen"
Der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt sagte NDR Info: "Der Umstand, dass überhaupt jemand - zum zweiten Mal muss man ja sagen, auf das Vorfeld des Hamburger Flughafens vordringen konnte, ist schon alarmierend." Man könne nicht sicher sein, dass es sich beim nächsten Mal nicht um Terroristen handeln würde, denn die Terrorgefahr sei heute so hoch wie sie schon lange nicht mehr. Es könne nicht sein, dass am Flughafen nur "eine harmlose Schranke ist, die ich mit einem Pkw durchbrechen kann". Mit diesem Sicherheitsmanko stehe Hamburg aber leider nicht allein da.
Lob für die Polizei auf dem Hamburger Flughafen
Zur Geiselnahme auf dem Hamburger Flughafen sagte Gewerkschafter Teggatz, die Polizei mache nach seinem Eindruck "einen grandiosen Job". "Sie hat es nicht eskalieren lassen und in langen Verhandlungen aus einer dynamischen eine statische Lage gemacht. Das ist hochprofessionell." Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) sagte: "Natürlich ist ein solch schwerer Vorfall immer ein guter Anlass, nochmal die Sicherheitskonzepte zu überprüfen."
Geiselnahme soll im Innenausschuss behandelt werden
Die CDU in der Bürgerschaft beantragte, dass die Vorfälle im Innenausschuss behandelt werden. "Nach den vergangenen Störaktionen der Klimakleber, zeigt die Geiselnahme vom Wochenende, dass das aktuelle Sicherheitskonzept des Flughafens nicht ausreichend ist", sagte der innenpolitische Sprecher, Dennis Gladiator. Und auch der Chef der SPD-Regierungsfraktion in der Bürgerschaft, Dirk Kienscherf, kündigte eine parlamentarische Aufklärung an: "Jetzt muss geklärt werden, wie es zu dem ernsten Sicherheitsverstoß kommen konnte und welche zusätzlichen Maßnahmen zukünftig ergriffen werden müssen."
Bereits zwei Vorfälle am Flughafen in diesem Jahr
Bereits im Oktober war der Hamburger Flughafen gesperrt worden, damals allerdings wegen einer Anschlagsdrohung auf eine Maschine von Teheran nach Hamburg. Im Juli hatten Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten der Gruppe Letzte Generation den Hamburger Flughafen für Stunden lahmgelegt, als sie mit Fahrrädern auf das Gelände eingedrungen waren.