Matthiae-Mahl: Scholz betont Solidarität der NATO-Partner
Beim traditionellen Matthiae-Mahl im Hamburger Rathaus hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstagabend den Zusammenhalt zwischen den NATO-Staaten betont. Deutschland stehe angesichts der russischen Aggression fest an der Seite der baltischen Staaten, sagte er an die estnische Premierministerin Kaja Kallas gewandt.
"Eure Sicherheit - die Sicherheit Estlands und des Baltikums - ist auch unsere Sicherheit", betonte Scholz in seiner Rede. Sowohl er als auch Kallas waren bei dem Festmahl als Ehrengäste geladen. Mit seinem "imperialistischen, mörderischen Angriffskrieg" gegen die Ukraine wolle Russland die Geschichte Europas umschreiben und die Grenzen mit Gewalt verschieben, so der Kanzler weiter. "Für uns als Demokratien, als Europäer, als Freunde der Freiheit kann es keine Alternative dazu geben, die Ukraine weiter zu unterstützen - so lange wie nötig", sagte der Kanzler vor rund 400 Repräsentanten und Repräsentantinnen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur im Großen Festsaal des Rathauses. Höre die Ukraine auf zu kämpfen, gebe es keine Ukraine mehr.
Scholz: "Sicherheit in der NATO ist unteilbar"
Im NATO-Verbund schützten die deutsche und die estnische Marine die Ostsee, so Scholz weiter. "Immer wieder üben unsere Soldatinnen und Soldaten Seite an Seite." Mit der dauerhaften Stationierung einer Kampfbrigade der Bundeswehr in Litauen ab 2025 sende Deutschland ein klares Zeichen: "Sicherheit in der NATO ist unteilbar. Wir sind bereit, jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets zu verteidigen."
Kallas: Westen ist stärker als Russland
Kallas warb in ihrer Rede eindringlich für eine weitere Unterstützung der Ukraine. "Gemeinsam können wir der Ukraine helfen, diesen Krieg zu gewinnen. Wir haben die Ressourcen, die wirtschaftliche Macht, den Sachverstand", sagte die estnische Regierungschefin. Die Stärke des Westens überwiege jene Russlands. "Lasst uns keine Angst haben vor unserer eigenen Macht." Kallas regiert Estland seit 2021, seit vergangener Woche steht sie auf einer russischen Fahndungsliste - wegen des Abrisses eines alten Sowjet-Denkmals in Estland.
"Wir müssen schonungslos ehrlich zu uns selbst sein - genauso wie Russland immer noch ukrainische Städte bombardiert und durch ihre Städte und Dörfer marschiert - wir haben unsere Versprechen nicht eingehalten", sagte Kallas. Der Ukraine gehe die Munition aus. Langfristige Verpflichtungen seien wichtig, aber es sei auch eine Tatsache, dass die Seite gewinne, die über mehr Munition verfüge. Kallas sagte, auf der Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende habe der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu Recht die Frage gestellt, warum Putin den Krieg immer noch fortsetzen könne. "Wir müssen diese Frage beantworten - nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten."
Tschentscher lobt gemeinsames Vorgehen nach russischer Invasion
Zu Beginn des traditionellen Mahls hatte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) das deutsche Engagement für ein gemeinsames Vorgehen der Europäischen Union, der USA und ihrer Bündnispartner im Umgang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine gelobt. Mit Kallas und Scholz habe man zwei Ehrengäste zu dem Festmahl eingeladen, "die für ein gemeinsames, starkes Europa eintreten und sich für Frieden und Freiheit engagieren", sagte Tschentscher.
Scholz habe nach dem russischen Angriff "die Sicherheit Europas, die Stärkung der NATO und die transatlantische Partnerschaft wieder ins Zentrum der deutschen Politik gerückt", so Tschentscher. "Ministerpräsidentin Kallas ist eine wichtige Unterstützerin der Ukraine und eine starke Stimme für Demokratie und Freiheit in der Welt."
Eklat beim Matthiae-Mahl vor 30 Jahren
Hamburgs Bürgermeister erinnerte auch an den wohl ersten und einzigen Eklat während eines Matthiae-Mahls vor 30 Jahren. Damals habe der estnische Präsident Lennart Meri als Festredner vor einem russischen Neo-Imperialismus gewarnt und gefordert, die osteuropäischen Länder einschließlich der Ukraine in ein demokratisches Europa einzubinden. "Daraufhin sprang ein damaliger ausländischer Gast wütend vom Tisch auf und verließ den Saal. Es war der damalige Vizebürgermeister von Sankt Petersburg, Wladimir Putin", erinnerte sich Tschentscher.
Goldenes Buch und festlich geschmückte Tafel
Zuvor hatte Tschentscher - so wie es das strenge Protokoll verlangt - ganz oben auf der Rathaustreppe erst den Bundeskanzler und seine Frau Britta Ernst und dann die estnische Regierungschefin und ihren Mann begrüßt. Beide trugen sich dann ins Goldene Buch der Stadt ein. Danach nahmen die Gäste an den zehn Meter langen Festtafeln Platz. Auf dem Menüplan, der wie immer bis zuletzt geheim gehalten wurde, standen unter anderem ein Krabben-Omelette als Vorspeise und gebratenes Hühnchen als Hauptgericht. Es gab aber auch eine vegane Variante.
Senat: Weltweit ältestes noch gefeiertes Festmahl
Das Matthiae-Mahl ist nach Angaben des Senats das weltweit älteste noch gefeierte Festmahl. Es ist seit 1365 historisch belegt. Allerdings gab es ab 1724 mehr als 200 Jahre lang kein Matthiae-Mahl. Die Gründe dafür sind unbekannt. Im vergangenen Jahr waren der NATO-Oberbefehlshaber in Europa, General Christopher Cavoli, und die Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Helga Maria Schmid, als Ehrengäste im Rathaus. Auch damals stand der Ukraine-Krieg im Mittelpunkt des Festmahls.