Lampedusa in Hamburg: Fehrs spricht von "Hoffnungsgeschichte"
Zehn Jahre nach Aufnahme von rund 80 Lampedusa-Flüchtlingen in der Hamburger St. Pauli-Kirche bezeichnet die evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs die danach eingetretene Welle der Solidarität und Nächstenliebe als "Hoffnungs- und Mut-Geschichte - mit Wunderqualität".
Die Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordkirche sprach am Sonntag in ihrer Predigt beim Festgottesdienst "Here to pray - 10 Jahre Lampedusa auf St. Pauli" in der St. Pauli-Kirche von der Hoffnung, "dass wenn sich viele Leute an vielen Orten wie diesen ein Herz fassen und der Nächstenliebe Einlass gewähren, dass dies die Welt verändern wird".
Pastor Wilm: "Eine Gewissensentscheidung"
Die St. Pauli-Kirche feierte am Wochenende aus Anlass der Kirchenöffnung vor zehn Jahren das "Here to stay"-Festival. Pastor Sieghard Wilm sagte dem Hamburg Journal im NDR Fernsehen rückblickend: "Das war eine Gewissensentscheidung vor zehn Jahren. Das war aus dem Moment heraus - spontan. Das kann man nicht wiederholen. Aber: Die Präsenz zu handeln im richtigen Moment und auch seinem Herzen zu folgen, das bleibt.""
2013 nahm St. Pauli-Kirche etwa 80 Männer auf
Flüchtlinge aus Ghana, Mali und anderen Ländern waren 2011 mit Schlauchbooten aus Libyen vor dem dortigen Bürgerkrieg nach Italien geflohen und von den dortigen Behörden 2012 nach Deutschland weiterverwiesen worden. Im Winter 2012/13 erreichten zwischen 300 und 400 fast ausschließlich männliche Geflüchtete Hamburg. Nach Auslaufen des Winternotprogramms im April 2013 lebten die meisten von ihnen mittellos auf der Straße und in Parks. Ein Bleiberecht oder staatliche Unterstützung erhielten sie nicht. Am 2. Juni 2013 entschieden die Pastoren der St. Pauli-Kirche, Sieghard Wilm und Martin Paulekun, die Türen der Kirche für die Menschen zu öffnen. Etwa 80 Männer übernachteten über Monate dort.
"Zeichen von Mitmenschlichkeit"
"In einer solchen Situation war es ein Zeichen von Mitmenschlichkeit, die Kirchentür zu öffnen", sagt Fehrs. "Es war eine mutige Augenblicksentscheidung gegen viele politische Widerstände, und sie war richtig, weil es um die Menschenwürde ging." Ihre Bewunderung gelte damals wie heute den vielen freiwilligen Helfenden aus St. Pauli und darüber hinaus, die Zeit, Aufmerksamkeit, Geduld und auch Geld geteilt hätten.
Fehrs fordert pragmatischen Umgang mit Geflüchteten
Viele der Männer, die damals in der Kirche unterkamen, seien heute gut integriert. Sie hätten Arbeit gefunden, Familien gegründet und seien ein Teil der Gesellschaft geworden. Es habe sich ausgezahlt, dass Politik und Behörden sich am Ende auf einen pragmatischen und unaufgeregten Umgang mit den Geflüchteten eingelassen hätten. Erst im Oktober 2013 hatte der Hamburger Senat, nach langen Verhandlungen mit der Nordkirche, die Einzelfallprüfung angeboten, bis zu deren Entscheidung die Menschen in Hamburg bleiben durften. 100 erhielten später einen gesicherten Aufenthalt.
Fehrs sagt weiter: "Auch heute brauchen wir einen menschenrechtsorientierten und pragmatischen Umgang mit Geflüchteten statt ideologisch aufgeladener Diskurse." Nötig sei zudem eine vorausschauende Politik, die gefährdeten Menschen sichere Wege nach Europa öffne, damit niemand eine lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer antreten müsse.