Kommentar: Stadtpark-Urteil ist ein Erfolg, kein Skandal
Gerade ist ein Prozess zu Ende gegangen, der für viel Diskussion gesorgt hat: Im Stadtpark-Verfahren hat das Hamburger Landgericht neun junge Männer verurteilt. Sie hatten ein 15-jähriges Mädchen vergewaltigt. Einer muss ins Gefängnis, die anderen haben Bewährung bekommen. Nach dem Urteil gab es im Netz Anfeindungen gegen die Vorsitzende Richterin, Kritikerinnen und Kritiker empfanden das Strafmaß als zu gering. Diese Angriffe sind unerträglich und absolut inakzeptabel, so Elke Spanner in ihrem Kommentar.
Diejenigen, die die Richterin beschimpfen, fordern im Namen eines konsequenten Rechtsstaates härtere Strafen für die Vergewaltiger - und treten diesen Rechtsstaat dabei selbst mit Füßen. Das Gericht hat eineinhalb Jahre über den Fall verhandelt, 68 Tage mit den Angeklagten in einem Saal gesessen. Wie will jemand, der da nicht dabei war, besser wissen was gerecht ist und was nicht?
Ein Erfolg für Hamburgs Justiz
Dieses Urteil für die jungen Männer ist kein Skandal. Ganz im Gegenteil: Es ist ein Erfolg für die Hamburger Justiz. Das fängt schon bei der Ermittlungsarbeit der Polizei an. Man muss sich mal die Situation damals in dieser furchtbaren Nacht vorstellen: Ein riesiger Park. Stockdunkel. Hunderte feiernde Menschen und darunter zweifellos sehr viele Männer, auf die die Täterbeschreibungen gepasst hätten. Und die Polizei hat es geschafft, die Vergewaltiger zu identifizieren. Hut ab.
Strafrecht-Reform hat Verurteilung erst ermöglicht
Und die Verurteilung ist ein Erfolg. Es war zu Prozessbeginn keineswegs sicher, dass die Männer überhaupt bestraft werden können. Sie haben bei den Vergewaltigungen keine Gewalt angewandt, sondern es perfide ausgenutzt, dass das Mädchen betrunken und verstört war und aus Angst alles über sich ergehen ließ. So ein perfides Vorgehen ist überhaupt erst strafbar, seit das Sexual-Strafrecht 2016 reformiert wurde. Früher galt eine Vergewaltigung nur als Vergewaltigung, wenn der Täter oder die Täterin den Sex mit Gewalt erzwungen hat. Nach dem alten Grundsatz wären diese Angeklagten im Stadtpark-Prozess alle freigesprochen worden. Erst seit der Reform heißt es: "Nein" heißt "Nein" und ein "Ja" ist nur dann wirklich ein "Ja", wenn es keinen Zweifel an der Zustimmung der Frau oder des Mannes zur sexuellen Handlung gibt. Der Stadtpark-Prozess war ein Praxistest für das neue Gesetz - und es hat den Test bestanden. Die Männer wurden bestraft.
Mehrere Richter und Schöffen fällten das Urteil
Kommen wir also zur Höhe der Strafen. Daran macht sich ja die Kritik und die Beschimpfung der Vorsitzenden Richterin fest. Sie hat die Urteile nicht alleine gefällt, sondern es war eine Kammer aus fünf Richterinnen, Richtern und Schöffen. Sie hat das Urteil nur verkündet. Zudem folgt das deutsche Strafrecht nicht dem Grundsatz: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Erst recht nicht bei Jugend-Strafverfahren. Die Strafe hat ein Ziel: Die jungen Täter von einem falschen Weg auf den richtigen zurückzuführen. Da kann es im Einzelfall sinnvoller sein, jemandem zum Beispiel Arbeitsstunden in einer Pflegeeinrichtung aufzubrummen, um ihm überhaupt mal zu zeigen, was Empathie und Verantwortung sind.
Kammer hat sich an geltendes Recht gehalten
Und mal ehrlich: Wären all die Kritikerinnen und Kritiker jetzt still geblieben, wenn die jungen Männer für - sagen wir - ein oder zwei Jahre ins Gefängnis gekommen wären? Hätte es dann nicht geheißen: Warum nicht drei oder vier? Vielleicht hat unser Strafsystem Schwächen. Vielleicht muss das Leid eines Opfers bei der Strafe wirklich mehr berücksichtigt werden - auch bei jugendlichen Täterinnen und Tätern. Aber dann müssen wir die Gesetze ändern. Diese Kammer hat sich an die geltenden Gesetze gehalten.