Rekordfund in Hamburg: Zoll stellt 16 Tonnen Kokain sicher
Beamte der Zollfahndung haben im Hamburger Hafen 16 Tonnen Kokain sichergestellt. Es ist der größte Kokainfund aller Zeiten in Deutschland und Europa. Experten warnen vor einem "gigantischen Sicherheitsproblem".
Es war offenbar ein Tipp aus den Niederlanden, der die Beamten auf die Spur der Drogen brachte. Nach Informationen des NDR war es bei einer Importfirma aus Rotterdam in der Vergangenheit zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Die Hamburger Zollfahndung überprüfte am 12. Februar 2021 deshalb fünf Container, die die Firma aus Paraguay nach Hamburg bestellt hatte. Eigentlich sollten die Container Spachtelmasse enthalten. Doch beim Röntgen wurde rasch klar, dass sich in den Containern auch zahlreiche Blechdosen befanden, die offenbar mit etwas anderem befüllt waren. Beim Entladen stießen die Beamten dann auf mehr als 1.700 Dosen, die insgesamt mehr als 16 Tonnen Kokain enthielten.
Wert bis zu 3,5 Milliarden Euro
Man sei in Hamburg ja einiges gewohnt, sagte der Leiter des Zollfahndungsamtes Hamburg, René Matschke dem NDR. Dieser Fund stelle aber alles bislang Dagewesene in den Schatten. "Der Straßenverkaufswert der Drogen liegt zwischen 1,5 und 3,5 Milliarden Euro", so Matschke, es handele sich um einen außergewöhnlichen Ermittlungserfolg.
Mann festgenommen
Nach einem Hinweis der Hamburger Ermittlerinnen und Ermittler nahmen auch die niederländischen Sicherheitsbehörden die Firma aus Rotterdam genauer unter die Lupe. Erfolgreich. Am 21. Februar 2021 konnten in Antwerpen in Belgien weitere 7,2 Tonnen Kokain beschlagnahmt werden. Wenige Tage später wurde dann ein 28-jähriger Mann in den Niederlanden festgenommen, hieß es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Zoll und Staatsanwaltschaft Hamburg. Es handelt sich offenbar um den Geschäftsführer der Importfirma. Im Zuge der Aktion wurden auch mehrere Geschäftsräume in Rotterdam und Umgebung durchsucht.
Die in Hamburg sichergestellten 16 Tonnen sind die größte Menge Kokain, die jemals in Europa sichergestellt wurde. Auch weltweit handelt es sich um einen der größten Funde. Die Sicherstellung reiht sich ein in einen Trend: Seit mehreren Jahren stoßen Fahnder auf immer größere Mengen Kokain.
BDK: "Müsste ein Weckruf sein"
Die Beschlagnahme im Hamburger Hafen müsse ein "großer Weckruf" sein, sagt Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Der Drogenschmuggel sei ein "gigantisches Sicherheitsproblem", da die enormen Gewinne in neue Straftaten und auch in die Legalwirtschaft flössen. Es müsse jetzt breit diskutiert werden, ob man mit der aktuellen Drogenpolitik gut aufgestellt sei und was man der Drogenkriminalität entgegenstellen könne, so Fiedler. Dabei komme vor allem dem Zoll eine zentrale Aufgabe zu. Das Problem sei aber, dass der Zoll, der auch Polizeiaufgaben übernehme, in diesem Bereich "fürchterlich schlecht organisiert" sei. Dort brauche es eine "komplette Neuaufstellung". Zuständig dafür sei Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der sich klarmachen müsse, dass er auch Polizeichef sei, so Fiedler.
"Erbärmlich aufgestellt"
Ähnlich äußerte sich Frank Buckenhofer von der Polizei- und Zollgewerkschaft GdP. "Deutschland ist bei der Schmuggelbekämpfung erbärmlich aufgestellt", sagte Buckenhofer dem NDR. Manche Zollfahndungsdienste könnten ihren gesetzlichen Auftrag kaum noch erfüllen. Fiedler sprach sich dafür aus, einen Drogengipfel einzuberufen.
Zahl der Konsumenten steigt
Ermittlerinnen und Ermittler gehen davon aus, dass für jedes Kilogramm Kokain, das sie finden, zehn Kilo nicht gefunden werden. Das heißt: obwohl Zoll und Polizei Sicherstellungen wie jetzt in Hamburg als Erfolg feiern, sind sie zugleich Ausdruck dafür, dass immer mehr Kokain nach Europa geschmuggelt wird. Gleichzeitig steigt auch die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig (CSU) sagte dem NDR, Kokain sei heute "in der Mitte der Gesellschaft angekommen". Schätzungen zufolge seien "in Deutschland mittlerweile zwischen 40.000 und 60.000 Menschen kokainabhängig", so Ludwig. Gerade in der Altersgruppe der 18-25-Jährigen habe der Konsum zugenommen. Die Sicherstellungen "von tonnenweise Kokain an den deutschen und europäischen Häfen" bereiteten ihr Bauchschmerzen.
Insgesamt fehlen aber offenbar Daten dazu, wer die immer größeren Mengen an Kokain in Deutschland eigentlich konsumiert. Genau diese Frage sollen Forscher der Uniklinik Hamburg-Eppendorf in einer Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums klären. Die Ergebnisse der "KOKOS"-Studie sollen Ende des Jahres vorliegen und dann dafür genutzt werden, die Suchtprävention zu stärken.