Hamburg schickt obdachlose Osteuropäer weg
Eine Gruppe osteuropäischer Obdachloser schlägt ihr Nachtlager auf: mitten in Hamburgs Innenstadt. Es ist kalt und regnerisch. Sie sind hier, weil sie zuhause keine Arbeit finden, nichts zu essen haben, erzählen sie. Eigentlich wollten die Menschen hier in Hamburg Arbeit finden, manchmal arbeiten sie als Tagelöhner, sonst verdienen sie ihr Geld mit musizieren oder betteln. "Wir schicken das Geld nach Hause zu unseren Kindern, weil die nichts zum Leben haben", erzählt einer.
Winternotprogramm nicht für Osteuropäer
In den kalten Winternächten der vergangenen Monate wollten sie eigentlich zum Schlafen ins Winternotprogramm. Das richtet die Stadt Hamburg jeden Winter von November bis März ein: Hier sollen Obdachlose vor dem Erfrieren geschützt werden. Und: Das Programm ist anonym und jeder Obdachlose soll es nutzen können.
Doch seit November vergangenen Jahres kann offenbar nicht mehr jeder Obdachlose diesen Erfrierungsschutz nutzen. Insbesondere Menschen aus Osteuropa werden nun kontrolliert. Sie sollen ihre Pässe zeigen. Wenn dort eine Meldeadresse steht, zieht die Sozialbehörde daraus die Konsequenz, dass sie freiwillig obdachlos seien. Und dann verlieren sie ihren Anspruch auf die Unterbringung.
Meldeadressen sollen vorgetäuscht sein
Dirk Hauer von der Diakonie sieht das mit Sorge: "Zum einen haben auch viele deutsche Obdachlose in ihren Papieren eine Adresse, das heißt eine Adresse sagt noch nichts darüber, ob jemand obdachlos ist, oder nicht. Und der andere Punkt ist, eine tatsächliche Wohnanschrift im Herkunftsland sagt nichts über die Qualität dieser Wohnung und sagt vor allen Dingen nichts über die Perspektiven dieser Menschen in ihrem Herkunftsland. Und sie verlassen diese Länder ja, weil sie perspektivlos sind. Ich sage mal nach dem Motto der Bremer Stadtmusikanten, 'Etwas Besseres als den Tod finden wir überall'. Aus dem Grund machen sich diese Leute auf den Weg."
Das bestätigen auch die Obdachlosen aus der Hamburger Innenstadt. Sie kommen eigentlich aus Rumänien. Damit sie überhaupt einen Ausweis bekommen konnten, hätten sie die Adresse eines Bekannten angegeben. Das sei nicht ungewöhnlich. Doch wohnen könnten sie dort nicht.
Verelendung und Verwahrlosung
Sozialarbeiter wie Johan Graßhoff kümmern sich um Obdachlose in Hamburg, auch um die Gruppe Osteuropäer, die in der Innenstadt schlafen. Diese Gruppe wurde nicht nur vom Winternotprogramm ausgeschlossen, sie hatten von der Stadt Hamburg auch Bustickets in die Heimat bekommen. Doch dauerhaft bleiben wollten sie dort nicht. "Wir sind arm, in Rumänien gibt es nichts. Es gibt keine Arbeit, wir leben vom Kindergeld“, sagen sie. Betteln in Hamburg sei immer noch besser als das. Nun sind sie wieder zurück. Und leben wieder auf der Straße. Graßhoff weiß, dass das so auch keine Lösung sein kann: "Das Leben auf der Straße ist gefährlich, es ist gesundheitlich gefährlich, man ist Überfällen von anderen Menschen ausgesetzt. Und je länger man auf der Straße lebt, umso schwieriger ist es den Menschen auch zu helfen wieder von der Straße runterzukommen. Die Verelendung und die Verwahrlosung dieser Menschen ist eine sehr große Gefahr."
Menschen könnten erfrieren
Doch die Stadt Hamburg sagt: Erfrieren müsse keiner. Schließlich gäbe es ja noch die Wärmestuben. Einer der rumänischen Obdachlosen erzählt: "Wir sind da hingegangen, nach ein paar Stunden haben wir den Kopf auf die Hände gestützt, aber das durften wir nicht. Da darf man nur gerade auf dem Stuhl sitzen." Zum Schlafen gehen sie dann auf die Straße. "Unsere Hauptsorge darin besteht, dass Menschen in der kalten Jahreszeit erfrieren können und da ist es uns tatsächlich egal, ob der Tote einen deutschen Pass hat, oder einen rumänischen Pass. Jeder Tote ist eigentlich nicht zu akzeptieren“, sagt Dirk Hauer.