Gender Planning: Mehr Sicherheit für Frauen in Städten
Die Tage werden wieder kürzer und es ist wieder länger dunkel. Für viele Frauen heißt das: Sie fühlen sich einen größeren Teil des Tages unsicher. Eine neue Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass sich Frauen vor allem im Dunklen an vielen Plätzen in unseren Städten nicht wohl fühlen. Durch eine Stadtplanung, die sich stärker an den Bedürfnissen von Frauen orientiert, könnte man dem entgegenwirken. Die NDR Info Perspektiven haben sich das Problem und mögliche Lösungen angeschaut.
Allein und im Dunklen durch Hamburgs Straßen: Für Susanne Thoms ist das nichts Ungewöhnliches nach einem langen Abend mit Freunden im Park oder in der Kneipe. Aber angenehm ist der einsame Weg nach Hause für die 31-Jährige nicht: "Es ist irgendwie ein flaues Gefühl im Magen, eine Unsicherheit, die ich sonst gar nicht aus dem Alltag kenne. Im Hellen ist hier ja alles ok und im Dunkeln dann irgendwie plötzlich nicht mehr. Sich in so einem Land wie Deutschland so ausgeliefert zu fühlen. Es ist ja eigentlich ein sicheres Land." Mit diesen Gefühlen ist Susanne Thoms nicht allein. Im Hamburger Schanzenviertel, dem Szenekiez der Stadt, denken viele Frauen ähnlich. Manche wechseln die Straßenseite, wenn sie Gruppen von Männern sehen, und meiden unbelebte Straßen. "Ich habe mich gerade mit einer Freundin unterhalten, dass wir uns sehr unsicher fühlen - obwohl das Feminismus-Thema gerade breit diskutiert wird", sagen andere. Dabei wurde die Schanze von den Befragten noch als sicher eingestuft, andere Stadtteile hingegen weniger.
Frauen stufen vier von fünf Orten als unsicher ein
Wo genau fühlen sich Frauen sicher und wo unsicher? Die Hilfsorganisation Plan International hat dafür eine Webseite entwickelt. Dort haben 940 Frauen aus Hamburg, Berlin, Köln und München auf einer Karte über 1.200 Orte markiert. Das Ergebnis: An vier von fünf markierten Orten fühlen sie sich unsicher. Der Grund ist bei fast einem Drittel dieser Orte, dass Frauen dort schon einmal etwas passiert ist, vor allem sexuelle Belästigungen. Allerdings ist das Ergebnis nicht repräsentativ. Maike Röttger, die Leiterin von Plan International, erklärt, warum sie die Umfrage trotzdem gemacht hat: "Frauen, die beleidigt werden, angemacht werden oder von Exhibitionisten bedrängt werden, zeigen dies oft sicherlich gar nicht an. Deswegen finden wir es so wichtig, das durch solche anonymen Umfragen sichtbar zu machen und dann auch einfließen zu lassen, auch in die Arbeit der Polizei und in die Stadtplanung."
Frauen helfen sich mit Notlösungen
Schon mehr Beleuchtung oder das Herunterschneiden von Hecken kann dafür sorgen, dass Frauen sich sicherer fühlen. Das aber kostet Geld und braucht Zeit. Darum behilft sich Susanne Thoms mit einfachen Tricks, um sich sicherer zu fühlen: "Ich schau immer, dass ich mein Handy greifbar habe. Manchmal telefonier ich auch mit jemandem, oder ich tu so, als würde ich telefonieren. Und was ich auf jeden Fall auch immer mache, ist zielstrebig laufen, zügigen Schrittes. So, als wäre ich wahnsinnig selbstbewusst." Tatsächlich kann schon das dazu beitragen, dass Frauen weniger oft überfallen werden. Es bleibt aber eine Notlösung - bis Kommunen ihre Straßen für Frauen wirklich sicherer machen.
Gender Planning: Stadtplanung, die Frauen gerecht wird
Aber wie kann das gelingen? Die Wiener Stadtplanerin Eva Kail ist Expertin dafür, wie sich die Architektur einer Stadt auf Frauen und Männer auswirkt. Die Bedürfnisse von Frauen stärker zu berücksichtigen - das ist das Konzept von "Gender Planning". In Wien gibt es ein eigenes Kompetenzzentrum für übergeordnete Stadtplanung, Smart City Strategie, Partizipation und Gender Planning. Die Überlegungen dieser zentralen Stelle werden bei allen planerischen Aufgaben berücksichtigt. Da geht es nicht nur um Aspekte der Sicherheit, sondern generell um mehr Geschlechtergerechtigkeit. Der neue Stadtteil Seestadt Aspern etwa wurde vollständig nach diesen Kriterien gebaut.
Gender Planning: in Wien schon Realität
Das besondere Planen beginnt schon beim Städtebau: In Aspern sind die wichtigen Alltagswege zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Einrichtungen, Schulen, Kindergärten, Geschäften etc. so angeordnet, dass möglichst viel Frequenz erzeugt wird. Durch solche Maßnahmen könne man schon auf der städtebaulichen Ebene die Beliebtheit eines Viertels beeinflussen, erklärt Kail. Bei der konkreten Straßenplanung stand vor allem eine gute Beleuchtung im Vordergrund. Bei der Planung der Wohngebäude wurde aber auch darauf geachtet, dass Aufenthaltsräume zur Straße orientiert sind. So sind die Straßen weniger einsam und es gibt mehr beleuchtete Fenster - in Notfallsituationen ein wichtiger Aspekt.
Auch soziale Aspekte sind entscheidend
Helligkeit, Licht, gute Einsehbarkeit, breite Gehwege sind Schlagworte, die man häufig von Stadtplanern hört. Warum gibt es dann immer wieder neue Orte, an denen sich Frauen unwohl fühlen? Hier spiele auch die sogenannte sozialräumliche Qualität eine Rolle, erklärt Kail. Welche Gruppen sich in einem Viertel aufhalten und wie ihre Verhaltensweisen sind, spiele sich auf einer sozialen und gesellschaftlichen Ebene ab. In einem geschlechtsspezifisch geplanten Gebiet könnten Frauen ihre eigenen Verhaltensweisen viel eher stärken und sich besser überlegen, wie sie in Gefahrensituationen reagieren.
Männliches Verhalten günstig beeinflussen
Aus Sicht der Stadtplaner gilt es also, das subjektive Sicherheitsgefühl mit der physischen Infrastruktur zu stärken. Hier unterscheidet Kail zwischen "Hardware" und "Software". Die "Hardware", also Gehsteigbreiten und Beleuchtung, könne man gezielt beeinflussen. Aber auch die "Software", also die Art und Weise, wie Menschen miteinander interagieren, müsse günstig beeinflusst werden, etwa durch Selbstverteidigungskurse für Mädchen oder durch gezielte Arbeit mit Jungen und Männern, um sie für das Thema zu sensibilisieren. Dort müsse ein respektvoller Umgang mit Mädchen und Frauen thematisiert werden oder auch die Notwendigkeit einzugreifen, wenn Frauen oder Mädchen belästigt werden. Die Arbeit auf der Verhaltensebene sei ein entscheidender Faktor für eine geschlechtergerechtere Stadt. Im Stadtteil Aspern findet die Stärkung der Frauen auch auf anderer Ebene statt: Dort tragen alle Straßen weibliche Namen.
Schon kleine Maßnahmen können helfen
Das Argument, solche Projekte seien zu teuer, lässt Eva Kail nicht gelten. Man könne auch mit kleinen Maßnahmen nachjustieren, wie sie am Beispiel der Stadt Wien erklärt. Dort haben sogenannte Nachtspaziergänge geholfen, Situationen konkret einzuschätzen und zu verbessern. An einer schlecht einsehbaren Ecke etwa wurden Spiegel angebracht, wie man sie sonst eher von Routen durch Serpentinen kennt. So lassen sich Situationen auch im Dunkeln viel leichter einschätzen. Solche Eingriffe seien nicht sehr kostenintensiv und trotzdem effektiv.