Gedenken an NS-Zeit: Geschichtsort Stadthaus wiedereröffnet
Etwa ein halbes Jahr wurde das Stadthaus in der Hamburger Innenstadt umgebaut, nun ist es fertig. Jetzt ist der Gedenkort wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Während der NS-Herrschaft war das Gebäude an der Ecke Neuer Wall/Stadthausbrücke die Gestapo-Zentrale - heute wird dort der NS-Verbrechen und -Opfer gedacht. Aber es gibt auch Kritik.
Die Ausstellung im Stadthaus informiert über den Hamburger Widerstand, die Geschichte der Polizei im Nationalsozialismus und die politischen Auseinandersetzungen um das Stadthaus nach 1945. Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) hofft, durch die zentrale Lage möglichst viele Menschen zu erreichen. "Die Chance des Geschichtsortes hier im Stadthaus ist, dass es mitten in der Stadt liegt, an einem Ort, an dem die Leute nicht deshalb gehen, weil sie sich an einen Geschichtsort begeben wollen, sondern weil sie sich einfach durchs städtische Zentrum bewegen", so Brosda. Er hoffe sehr, dass man dadurch Menschen anregen könne, sich mit der Geschichte des Ortes und mit den nationalsozialistischen Verbrechen auseinanderzusetzen. "Ein Stolperstein, in dem man dann weitere Informationen gewinnen kann", erklärte er weiter.
Umbau von Buchladen und Café
Der Geschichtsort Stadthaus war im Herbst 2022 in die Trägerschaft der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen übergegangen. Sie entwickelte den Ort - in Abstimmung mit verschiedenen Verfolgtenverbänden - weiter. Durch den Umbau des ehemaligen Cafés und Buchladens sind neben der Ausstellung auch ein Büro, ein Seminarraum und eine Fläche für Veranstaltungen und kleinere, temporäre Ausstellungen entstanden. Insgesamt ist der Raum 240 Quadratmeter groß. "Wir haben um jeden Quadratmeter diskutiert, so kann die Fläche am besten für unterschiedliche Möglichkeiten auch für die Bildungsarbeit genutzt werden", sagt Alyn Beßmann.
Leiterin plant Sonderausstellungen
Beßmann ist die neue Leiterin des Geschichtsorts Stadthaus. Mit Sonderausstellungen will sie künftig einzelne Themen vertiefen. So sollen beispielsweise einzelne Widerstandskämpfer mit Fotos, Briefen oder auch Haftbefehlen vorgestellt werden. "Da geht es um ganz persönliche Verfolgungsgeschichten", so Beßmann. Auch der Schaufensterbereich soll umgestaltet werden und künftig als begehbarer Raum über Biografien der Opfer informieren.
Kritik: Zu wenig Platz für angemessenes Gedenken
Für die neue Ausstellung stehen 70 Quadratmeter zur Verfügung - und genau das kritisiert Wolfgang Kopitzsch von der Hamburger Initiative Gedenkort Stadthaus. "Das ist viel zu wenig Platz, um diese Themen in all ihren Facetten darzustellen", sagte Kopitzsch dem Evangelischen Pressedienst. Dabei erinnere das Stadthaus wie kein zweiter Ort daran, "wie schnell die Polizei der Weimarer Republik zum Terrorinstrument der Nazis werden konnte", mahnte er. Das Argument, es gebe keinen Platz, lässt Kopitzsch - Hamburgs ehemaliger Polizeipräsident - nicht gelten. "Im Führungsbunker unter dem Petersplatz gibt es große Räume. Sie müssen nur erschlossen werden", findet er und bedauert, dass es in Hamburgs Innenstadt keinen angemessenen Ort der Erinnerung gibt. Andere Städte, wie München etwa, seien da viel weiter.
Bodenskulptur vor Stadthaus
Seit etwa einem Jahr erinnert außerdem die großflächige Bodenskulptur "Stigma" vor dem Stadthaus an die Menschen, die dort zwischen 1933 und 1943 verhört, misshandelt oder auch ermordet wurden. Geschaffen hat den "zerstörten Bürgersteig" das Künstlerinnenduo Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper.
Initiative: Wesentliche Forderungen nicht erfüllt
Die Initiative Gedenkort Stadthaus hatte fünf Jahre lang mit rund 200 Mahnwachen für eine angemessene Erinnerung an dem Ort demonstriert. Ob sie die Mahnwachen fortgesetzt, ist laut Initiative noch nicht entschieden. Da die Ausstellung nicht aktualisiert und ausgeweitet wurde, seien wesentliche Forderungen nicht erfüllt worden. In der Initiative sind Verbände wie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bundes der Antifaschistinnen und Antifaschisten, der Arbeitskreis ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten, Nachkommen von NS-Verfolgten sowie Personen des öffentlichen Lebens engagiert.
Stadthaus war die "Zentrale des Terrors"
Bis zu seiner Ausbombung 1943 war der Gebäudekomplex Neuer Wall/Stadthausbrücke die "Zentrale des Terrors" in Hamburg. Hier waren das Polizeipräsidium und die norddeutschen Leitstellen von Kriminalpolizei und Gestapo untergebracht. Seit Anfang 2020 erinnert eine Dauerausstellung neben einer Fachbuchhandlung und einem Literaturcafé an die historische Bedeutung des Ortes. 1981 war eine Gedenktafel an dem Gebäude angebracht worden.