Stand: 14.02.2017 14:18 Uhr

Elbvertiefung: Irrsinn mit Riesen-Pötten

von Stefan Buchen

Gewinnstreben oder Umweltschutz - zwischen diesen beiden Polen bewegt sich bisher die Diskussion um die Elbvertiefung. Werde der Fluss zwischen Mündung und Hamburger Hafen vertieft (und stellenweise verbreitert), kämen mehr und größere Schiffe, sagen Hansestadt und Bundesregierung. Griffe man mit Baggern in die Flusslandschaft ein, bedrohe man Vögel und Pflanzen und erhöhe das Flutrisiko, sagen die Umweltschützer. Seit fünfzehn Jahren läuft dieser Streit.

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Jetzt geht er in die nächste Runde, denn das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2017 dem Hamburger Senat vorgeworfen, in seinen Plan für die Elbvertiefung keine ausreichenden Schutzflächen für den Schierlings-Wasserfenchel eingebaut zu haben. "Wird dieses Kraut den Hamburger Hafen ruinieren?", fragen seitdem die Medien. "Die Elbvertiefung wird kommen", sagt der Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) trotzig und kündigt an, den Plan nachzubessern.

Elbvertiefung wirtschaftlich wirklich lohnenswert?

Aber lohnt sich die Elbvertiefung überhaupt, rein wirtschaftlich betrachtet? Schnell kommen da erhebliche Zweifel auf. Vor zehn Jahren gingen Hamburg und das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin von einer steilen Zunahme des Containerumschlags aus, weltweit und im Hamburger Hafen. Diese Annahme hat sich als falsch erwiesen. Hamburg fertigt rund neun Millionen Container jährlich ab, kaum mehr als vor zehn Jahren. "Die Prognosen sind nicht eingetroffen", sagt Prof. Henning Vöpel, Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts. "Das Transportaufkommen weltweit und der Containerumschlag hier im Hafen werden weiter zurückgehen", legt Vöpel nach.

Gewinne auf Kosten der Steuerzahler?

Olaf Merk © Screenshot
Olaf Merk, Forscher am "International Transport Forum" der OECD in Paris, hält den Trend zu "Mega-Frachtern" für eine "Fehlentwicklung".

Der Senat will trotzdem die Fahrrinne den größer gewordenen Frachtschiffen anpassen. Denn die Hamburger Politiker fürchten, im Wettbewerb mit anderen Häfen ins Hintertreffen zu geraten. 600 Millionen Euro wollen sie sich die Elbvertiefung kosten lassen. Aber allein durch die vom Gericht geforderten Nachbesserungen wird es teurer. Nimmt man die Planungen rund um das letzte Hamburger Großprojekt, die Elbphilharmonie, zum Maßstab, muss man fürchten, dass in der Endabrechnung nicht 600 Millionen, sondern sechs Milliarden stehen werden. Dass die Kosten des Ausbaggerns von der Allgemeinheit getragen werden sollen, sehen Experten kritisch. "Eigentlich müssten diejenigen dafür bezahlen, die die tiefere Fahrrrinne nutzen wollen, nämlich die Betreiber der Riesencontainerschiffe", sagt Olaf Merk, Forscher am "International Transport Forum" der OECD in Paris. "Aber die Reeder wollen die Gewinne einstreichen und die Kosten auf die Steuerzahler abwälzen. Das ist pervers", kritisiert Merk.

Kooperation statt Konkurrenz

Wenn solche Worte vom Vertreter einer Organisation kommen, die nicht gerade für ihre Kapitalismuskritik bekannt ist, horcht man auf.

Die Hamburger Wirtschaftsbehörde verweist auf Anfrage von "Panorama 3" darauf, dass Reedereien über das so genannte Hafengeld an den Kosten des Hafenbetriebes "regelhaft beteiligt" seien. Daraus erlöse die Hamburg Port Authority jährlich rund 50 Millionen Euro. Zudem sollten künftig auch Mega-Containerschiffe proportional zu ihrer Größe Hafengeld bezahlen - ein Mechanismus, der bislang bei einer Bruttoraumzahl von 125.000 aussetzt.

Doch reicht das? Forscher Merk hat vor zwei Jahren mit seinem Team die weltweite Entwicklung der maritimen Wirtschaft untersucht, speziell den Trend hin zu "Mega-Frachtern". Seitdem spricht er eher von "Fehlentwicklung". Die Häfen seien schlecht beraten, sich gegenseitig zu bekämpfen und mit immer günstigeren Angeboten die Reedereien zu umwerben. "Wegen des Wettbewerbs untereinander haben die Häfen überhaupt keine Verhandlungsmacht gegenüber den Reedereien. Den Reedern fällt es dann leicht, die Häfen gegeneinander auszuspielen", erklärt Merk. Der Forscher rät den europäischen Häfen, miteinander zu kooperieren. Die Hafenstädte müssten erkennen, dass das Kalkül, durch immer größere Schiffe Kosten zu sparen, gerade für sie nicht aufgehe. "Wenn 20.000 Container auf einmal ankommen, führt das zu Staus auf Straßen und Schienen." Für die Logistik im Hafen sei es viel besser, wenn die Ware stetig angeliefert werde, statt auf einen Schlag.

Kooperation ist nicht nur eine juristische Frage

Frank Horch © dpa Foto: Markus Scholz
Der Hamburger Wirtschaftssenator Frank Horch glaubt an die Elbvertiefung.

Panorama 3 hat den Hamburger Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) mit der Kritik konfrontiert. Er betont, die Elbvertiefung nütze der gesamten Wirtschaft und nicht nur einigen wenigen. Auch den Ruf nach mehr Kooperation mit anderen Häfen weist er zurück. Das Gericht habe dies von Hamburg nicht verlangt. Als ob die Hafenkooperation eine juristische und keine politische Frage wäre. Auch Verkehrsexperte Frank Ordemann, Professor am Institut für Logistikmanagement der Ostfalia-Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Salzgitter, bemängelt das "Jeder-für-Sich" in der Hafenpolitik. Für Hamburg sei es "kein Zukunftskonzept, auf die Flussvertiefung zu setzen". Ein solcher "Alleingang" werde nicht helfen, die 150.000 Arbeitsplätze im Hamburger Hafen zu sichern. In der einseitigen Festlegung auf die Elbvertiefung sieht Ordemann eine Form der Kleinstaaterei. Am Ende könne diese Politik "dazu führen, dass Hamburg der Verlierer sein wird". Konkret rät Ordemann den Hamburgern zur Kooperation mit dem JadeWeserPort, dem Tiefwasserhafen an der deutschen Nordseeküste.

"Schicksalsfrage" Elbvertiefung

Das ist keine neue Forderung. Schon vor 17 Jahren stand diese Idee im Raum. Damals entschied der Hamburger Senat sich für den Alleingang. An dieser Politik hält er bis heute fest. Ordemann argumentiert, gemeinsam könnten der JadeWeserPort und Hamburg dafür sorgen, dass mehr aus Ostasien kommende Riesenfrachter Deutschland als erstes europäisches Anlaufziel wählen. Die Container dieser Mega-Schiffe könnten im JadeWeserPort auf kleinere Schiffe umgeladen und weiter an ihre Endziele gebracht werden, u.a. nach Hamburg. Schiffe bis ca. 14.000 Container Ladekapazität, die weiterhin das Gros der Handelsflotten ausmachen, könnten Hamburg weiterhin direkt anlaufen. Auf diesem Wege verlöre Hamburg keinen Umsatz, es gewänne vielleicht sogar welchen hinzu, "weil insgesamt mehr Schiffe zuerst nach Deutschland kämen", so Ordemann.

"Hinter vorgehaltener Hand geben die meisten Entscheidungsträger zu, dass sie mit anderen Häfen kooperieren müssen", beschreibt Henning Vöpel die Stimmung an der Elbe. "Aber offen aussprechen möchte das keiner". Der Senat hat sich festgelegt. Bürgermeister Scholz hat die Elbvertiefung zur "Schicksalsfrage" erklärt. Sein Wirtschaftssenator Horch verweist auf die Hamburgische Verfassung, die dem Hafen eine "besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volk" zuweise. Mit diesem Pathos will der Senat den Widerstand der Umweltschützer brechen. Aber genau dieser Pathos scheint den Senat auch blind und taub zu machen für die Frage, ob das Ausbaggern der Elbe sich wirtschaftlich überhaupt noch lohnt.

 

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 14.02.2017 | 21:15 Uhr

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