"Hiermit gründe ich eine Jugendbewegung"
Brexit, Trump-Wahl und der Erfolg der Rechtspopulisten in Europa haben viele junge Menschen aufgerüttelt. Sie nehmen Demokratie nicht mehr als selbstverständlich wahr und wollen selber etwas tun. In Deutschland haben sich mehrere Jugendbewegungen gegründet. Eine davon ist die Gruppe DEMO, die sich via Facebook gegründet hat.
Aïcha Reh steht an einem Flipchart, vor einem Tisch mit knapp zwanzig Mitstreitern. Viele tragen coole Brillen und modische Kleidung. Es ist Sonnabend, 10 Uhr morgens. Manche sind heute zum ersten Mal bei der selbst ernannten Jugendbewegung DEMO dabei. Aïcha macht schon länger mit, sie zeigt es demonstrativ mit einem knallroten Sweatshirt, auf dem in dicken Buchstaben "DEMO“ steht. Das Hauptziel ist, junge Leute über Demokratie aufzuklären und zum Wählen zu motivieren.
Wie kann man jungen Leuten Politik erklären - und wo?
Die Regionalgruppe Hamburg steht vor der Frage: Wie kann man an die jungen Wähler überhaupt herankommen? Die Runde diskutiert lebhaft. Der 28 Jahre alte Lehramtsstudent Jurek sagt, es sei schwierig, politische Fragen so herunterzubrechen, dass junge Menschen das verstünden. Im Sportverein jedenfalls würde das nicht klappen: "Da wollen die einfach den Ball kicken und nichts über Politik hören“, sagt Jurek. Dann also vielleicht doch mithilfe von Partys, Festivals, oder in Berufsschulen? Die Gruppe bildet Arbeitsgruppen, in denen es dann wieder weitergeht mit der Diskussion. Mühsam, ja vielleicht, aber alle haben entschieden, dass sie genau das an diesem Morgen machen wollen - während Altersgenossen einen Wochenend-Ausflug machen, frühstücken gehen, oder einfach nur ausschlafen.
Der Wahlsieg von Donald Trump brachte alles ins Rollen
Die Idee von DEMO entstand direkt nach dem Wahlsieg von Donald Trump im November 2016. Gründerin Mareike Nieberding setzte sich zwei Tage später an den Computer und postete: "Liebes Facebook, hiermit gründe ich eine Jugendbewegung.“ Sie schreibt, sie wolle ins Gespräch kommen, mehr Demokratie wagen und auch mehr Pathos. Dafür gebe es keine bessere Zeit als jetzt. Damit trifft sie einen Nerv. Deutschlandweit haben mehr als 4.300 selbst ernannte DEMOnen, wie sich die Anhänger nennen, die Seite geliked.
Fast überall in Deutschlands haben sich inzwischen DEMO-Regionalgruppen gegründet. Die meisten der Aktiven sind mindestens Mitte zwanzig. Auch die Gründerin, Mareike Nieberding, ist 29 Jahre alt. Den Begriff "Jugendbewegung“ fasst sie relativ weit. Sie fühle sich selber ja noch ziemlich jung, sagt sie lachend. "Und ich habe das Gefühl, dass die Jugend bisher viel zu still gewesen ist. Dabei geht es um unsere Zukunft!“ Deshalb sei es so wichtig, noch jüngere zu bewegen.
"Ich möchte nicht, dass mein Kind mit diesem Hass aufwachsen muss"
Die 30-jährige DEMO-Aktivistin Christina Holzum hat eine neun Monate alte Tochter. Sie ist außerdem gerade beschäftigt mit dem Wiedereinstieg in den Beruf - und trotzdem eine der engagiertesten Mitstreiterinnen bei DEMO. Auch bei ihr war die Trump-Wahl der Auslöser. "Ich bin damals aufgewacht und war geradezu verängstigt." Dass ihre Tochter damals gerade geboren war, verstärkte dieses Gefühl. "Ich dachte nur, ich will nicht, dass mein Kind in so einer Welt groß wird. Gerade auch mit diesem Hass, der da geschürt wird. Ich will das nicht.“
In den kommenden Wochen soll es richtig losgehen mit der Kampagne, auch an Schulen. Wie genau, das überlegen und planen die einzelnen Ortsgruppen. Eines wollen die DEMO-Aktivisten aber auf keinen Fall: Empfehlungen aussprechen, welche Partei jemand wählen soll und welche nicht.
Der Trend zu politischen Engagement nimmt zu
DEMO ist nicht die einzige junge politische Bewegung. Andere heißen Demokratie in Bewegung, Projekt Denkende Gesellschaft oder Polis 180. Jugendforscher Klaus Hurrelmann beobachtet schon länger einen Trend zu mehr Engagement. Mehr als vierzig Prozent der unter 25-Jährigen sagten auch in der jüngsten Shell Jugendstudie, sie interessierten sich für Politik. Das sind zehn Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Das, so der Forscher, liege auch an der besseren Wirtschaftslage. "Je mehr Perspektiven die jungen Menschen haben, desto höher klettert auch das politische Interesse“, sagt Hurrelmann. Zwar sei es noch nicht so hoch wie in den 1990er-Jahren, aber es sei dennoch stark angestiegen.
So beschreiben sich die erwähnten Demokratie-Initiativen:
Wie lange halten die Bewegungen durch?
Ob das politische Engagement von Dauer sein wird oder ob die noch kleinen Bewegungen nur politische Strohfeuer sind - das wird ganz entscheidend von ihrem Erfolg abhängen. Bildungsforscher Hurrelmann ist aber zuversichtlich. "Es ist eine Konstellation entstanden, wo junge Leute zum ersten Mal das Gefühl haben, dass sie gebraucht werden - und dass sie etwas bewirken können." Das sei eine Grundvoraussetzung dafür, dass sie auch durchhalten.
Die Motivation bei DEMO ist jedenfalls hoch. Vielen geht es wie Christina, sie hat bei sich selbst im vergangenen Jahr eine Veränderung festgestellt, die sie bereichert hat. "Ich merke, dass wir im Freundeskreis super viel über Politik sprechen. Das haben wir früher nie gemacht." Ihr sei das wichtig geworden. "Ich möchte gerne, dass sich jeder Gedanken darüber macht, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist." Daher sei sie bei DEMO. "Ich möchte andere Leute mit aufwecken."