Tabu-Thema Fehlgeburten: "Mir hat es geholfen, darüber zu reden"
Über Fehlgeburten spricht kaum jemand. Eine Ärztin, die selbst zwei Fehlgeburten erlebt hat, möchte das ändern. Sie hat im N-JOY Interview erzählt, warum sie jedes Mal wieder direkt nach dem positiven Schwangerschaftstest anderen Menschen sagen würde, dass sie schwanger ist.
Es gibt Themen, über die sprechen wir nicht oder nur sehr wenig. Dabei betreffen sie oft viel mehr Menschen, als wir vermuten. Bei Fehlgeburten ist das zum Beispiel so. Im Schnitt erlebt etwa jede sechste Frau mindestens einmal in ihrem Leben eine Fehlgeburt.
Auch Sarah Plack ist eine von ihnen. Die 32-Jährige ist Ärztin und hatte selbst bereits zwei Fehlgeburten, eine in der sechsten und eine in der neunten Schwangerschaftswoche. Im N-JOY Interview hat sie uns erzählt, dass ihr das Risiko von Fehlgeburten bewusst war - sie aber immer dachte, ihr würde es nicht passieren:
Es hat mich dann doch ziemlich heftig erwischt, als plötzlich in der neunten Woche mein erster Ultraschall war und man nur eine riesige leere Fruchthöhle gesehen hat. Plötzlich war diese Zahl - 25 Prozent aller Frühschwangerschaften gehen noch verloren - nicht mehr nur eine Zahl, sondern einfach real und ziemlich schrecklich. Sarah Plack
Viele Frauen gehen erst nach dem dritten Monat offen mit der Schwangerschaft um, wenn das Risiko für eine Fehlgeburt deutlich geringer ist. Erleiden sie vorher eine Fehlgeburt, bekommt ihr Umfeld also oft gar nichts davon mit. Bei Sarah war das anders: Sie musste allen erzählen, dass sie ihr ungeborenes Kind verloren hatte - weil sie schon vorher gesagt hatte, dass sie schwanger war. Das würde sie aber auch immer wieder so machen, betont sie:
Es war das Beste, was ich hätte machen können. Ich bin ein ganz großer Gegner von dieser Empfehlung, es erst ab der 12. Woche zu sagen.
Zum einen müsse man eine Fehlgeburt nicht verstecken und zum anderen sei man mit dem Verlust noch viel mehr alleine, wenn man vorher gar nicht darüber rede, findet Sarah. Weil sie schon früh von ihrer Schwangerschaft erzählt habe, hätte sie nach der Fehlgeburt Menschen um sich herum gehabt, die sie aufgefangen und sich um sie gekümmert hätten.
Wann man anderen von seiner Schwangerschaft erzähle, müsse natürlich jede Frau für sich entscheiden. "Aber ich würde mir wünschen, dass wir alle das viel früher sagen, weil dann auch weniger doofe Kommentare kommen", sagt Sarah. So könnten andere Menschen auch besser Rücksicht auf betroffene Frauen nehmen:
Dann kommt vielleicht nicht der Kommentar: 'Ja, wie sieht's denn mal aus? Kinder? Wollt ihr nicht mal welche?' Solche Sätze tun nach einer Fehlgeburt unfassbar weh.
Sarah rät: Fragt die betroffenen Frauen, was ihnen gut tut
Für viele Frauen ist eine Fehlgeburt ein schwerer Verlust, um den sie trauern. Freunde und Familie wissen dabei oft gar nicht, wie sie sich am besten verhalten sollen. Soll man die Betroffene ablenken oder lieber in Ruhe lassen?
Mir hat es geholfen, darüber zu reden. Und ich fand es auch gut, wenn Freunde sich erkundigt haben, wie es mir geht. Ich glaube, der beste Tipp für jemanden, der quasi indirekt betroffen ist, ist, nachzufragen, was der Person guttut. Sarah Plack
Viele Kommentare, die man auch bekomme, seien nämlich sehr toxisch, obwohl sie lieb gemeint seien. "Sowas wie: 'Naja, du bist jung', 'Nächstes Mal klappt's bestimmt', 'Ach, wahrscheinlich war es gut so, da war bestimmt was mit dem Baby'. Das ist richtig, das kann gut sein. Aber das will man nicht hören", erklärt Sarah Plack. Sie fand es auch gut, wenn Leute ein Stück weit ganz normal damit umgegangen sind und sie einfach ganz offen gefragt haben, wie es ihr jetzt damit geht.
Bisher habe sie ihre Erfahrungen gut verarbeitet, sagt sie. Aber sie werde immer wieder traurig - vor allem an den eigentlich errechneten Geburtsterminen. Der eine liegt noch vor ihr - kurz vor Weihnachten.