Frauenkrankheit Endometriose: "Gebt nicht auf!"
Jahrelang hat Katharina höllische Schmerzen - erst im Unterleib, später überall am Körper. Dann die Diagnose: Katharina hat Endometriose - eine Krankheit, die viele Frauen betrifft, über die aber kaum jemand spricht.
Die Schmerzen kommen und gehen, bei manchen Frauen bleiben sie auch. Einige spüren sie nur im Unterleib, andere am ganzen Körper. Doch obwohl 10 bis 15 Prozent aller Frauen im Laufe ihres Lebens eine Endometriose entwickeln und der Leidensdruck teils so hoch ist, dass eine Geburt dagegen "ein Klacks" sein soll, ist die Krankheit vielen nicht bekannt.
"Die Ärztin hat gesagt, da muss man als Frau durch."
Auch Katharina aus Bassum wusste lange nicht, was genau eine Endometriose ist.
Sie gehört zu den Frauen, die schon einen langen Leidensweg hinter sich haben, als die Krankheit schließlich diagnostiziert wird. "Ich habe schon länger vermutet, dass etwas nicht stimmt, weil ich alle vier Wochen so komische Schmerzen hatte", erzählt sie im N-JOY Interview.
Die Beschwerden kommen und gehen bei Katharina zyklisch, gemeinsam mit ihrer Periode. Doch ihre Ärztin scheint nicht zu merken, dass Katharinas Schmerzen weit über die üblichen Regelschmerzen hinausgehen.
Sie hat gesagt: 'Da muss man als Frau durch, die Schmerzen sind normal'. Ich habe das geglaubt. Katharina im N-JOY Interview
Erst als eine ehemalige Kollegin ihr einen Tipp gibt und eine andere Ärztin empfiehlt, kommt Licht ins Dunkel: "Jahre später bin ich zu einer anderen Ärztin gegangen. Sie hat unter Narkose eine Bauchspiegelung gemacht. So wurde die Endometriose dann festgestellt."
Endometriose - das Chamäleon unter den Krankheiten
Dass die Krankheit oft gar nicht oder erst spät erkannt wird, ist kein Einzelfall. Prof. Dr. Sylvia Mechsner, Leiterin des Endometriosezentrums an der Charité Berlin, vergleicht die Krankheit mit einem Chamäleon: "Sie tarnt sich: Viele Frauen haben sehr viele unspezifische Begleit-Reaktionen, sodass alles sehr diffus ist und niemand Bescheid weiß."
So fängt es auch bei Katharina mit vermeintlich normalen Unterleibsschmerzen an. Diese weiten sich jedoch zunehmend auf andere Körperregionen aus. "Wenn dann die Blase, die Schulter, die Leiste und das Zwerchfell dazu kommen, denkt man irgendwann, dass etwas nicht stimmen kann", erzählt sie. Für Katharina eine enorme Belastung - auch in ihrem Arbeitsalltag.
Ich konnte tatsächlich schon mal nicht zur Arbeit gehen, weil es so schlimm war, dass ich morgens nicht aufstehen konnte. Ich habe es durch die Pille dann immer so geplant, dass die ersten Tage aufs Wochenende gefallen sind - und lag dann halt am Wochenende flach.
Endometriose: Wenn Sex nur Schmerz bedeutet
Auch Prof. Mechsner berichtet von Betroffenen mit kaum auszuhaltenden Schmerzen. Diese seien zum Teil so extrem, dass Betroffene Höchstdosen an Schmerzmitteln einnehmen müssten, um überhaupt aufstehen zu können. "Es ist erstaunlich, dass viele denken, das sei normal", erklärt Mechsner im N-JOY Interview.
Darüber hinaus schränke die Endometriose einige Frauen auch in Sachen Sexualität ein. Für manche Frauen sei schon eine gynäkologische Untersuchung, wenn man den Finger nur in die Scheide lege, schmerzhaft. "Die Schmerzen, die diese Frauen beim Geschlechtsverkehr haben, sind so schlimm, dass manche Frauen dort liegen, die Zähne zusammenbeißen und hoffen, dass es bald vorbei ist. Das ist doch schrecklich."
Endometriose: Operationen und Hormone gegen die Beschwerden
In Katharinas Fall verschafft erst eine Operation im September 2017 Linderung. Das entstandene Gewebe wird entfernt, danach nimmt sie durchgängig die Pille, um die Bildung neuer Endometrioseherde zu unterdrücken. "Es ist nicht die optimalste Lösung, aber mir ist keine andere bekannt", erzählt sie.
Tatsächlich gibt es kein Heilmittel gegen Endometriose. Oft ebbt die Krankheit erst mit dem Beginn der Wechseljahre ab. Bis dahin müssen Betroffene teils mehrfach operiert werden, anschließend sollen Hormone verhindern, dass sich neues Gewebe bildet.
Dabei sind synthetische Hormone nicht unumstritten: Sie bringen den natürlichen Hormonhaushalt durcheinander und können zu starken Nebenwirkungen wie zum Beispiel Schlafstörungen, Übelkeit und Stimmungsschwankungen führen.
Langzeitschäden durch Endometriose
Ob die Endometriose durch eine entsprechende Therapie eingedämmt werden kann und welche Folgeschäden bleiben, muss die Zeit zeigen. So haben Schätzungen zufolge 30 bis 50 Prozent der betroffenen Frauen Schwierigkeiten, schwanger zu werden. Bei ansonsten beschwerdefreien Frauen wird die Endometriose teils sogar erst durch einen unerfüllten Kinderwunsch erkannt.
Doch hoffnungslos ist dieser Wunsch selbst in schweren Fällen nicht: Oft hilft es, das Endometriose-Gewebe zu entfernen. "Nach operativer Entfernung haben wir Schwangerschaftsraten von 40 bis 60 Prozent - je nachdem, wie ausgeprägt die Endometriose war."
Tabu-Thema Endometriose?
Ein unerfüllter Kinderwunsch, monatliche Regelschmerzen, die eigene Periode - all das sind Themen, über die kaum jemand öffentlich sprechen mag. Themen, vor denen einige vielleicht auch gerne Augen und Ohren verschließen möchten.
Dass das Krankheitsbild so diffus ist und die Diagnose oft holprig verläuft, macht es nicht leichter - obwohl in etwa genauso viele Menschen an Endometriose wie an Diabetes leiden, ist die Krankheit in unserer Gesellschaft kaum präsent.
"Die Krankheit ist schwer greifbar"
Katharina geht mit ihrer Krankheit offen um und spricht mit ihrem Umfeld darüber. "Erst mal schauen die Leute immer ein bisschen verdutzt, weil sie den Begriff nicht kennen", schildert sie ihre Erfahrungen. Für viele sei die Krankheit außerdem schwer greifbar, weil sie nicht sichtbar sei.
Katharina möchte anderen Frauen mit ähnlichen Beschwerden Mut machen:
Gebt nicht auf und lasst euch nicht abspeisen. Ich bin jahrelang damit herumgelaufen und war total verzweifelt, weil mir meine Ärztin einfach nicht weiterhelfen wollte. Dabei war es schon sehr ausgeprägt. Wartet nicht zu lange - und wenn der Arzt nicht weiterhelfen kann, sucht euch einen neuen, bis jemand hilft! Katharina im N-JOY Interview