Hurricane Festival - auch mit Handicap?
Matthias sitzt im Rollstuhl und ist fürs Hurricane Festival 2019 extra aus München angereist. Zusammen mit Jan feierte er ein Wochenende in Scheeßel. Anna Metzentin hat die Freunde damals begleitet.
Matthias und Jan sind gerade auf dem Weg zur Forest Stage, als ich die beiden treffe. Um 17:30 spielt auf dem Hurricane Festival die Band Flogging Molly. Die beiden wollen sich das Konzert auf dem Rolli-Podest ansehen und unterwegs noch eine Toilette für Matthias suchen.
Auf dem gesamten Festivalgelände gibt es nur eine einzige fest installierte Toilette, die Menschen im Rollstuhl benutzen können. Weil die aber quer über das Festivalgelände auf dem VIP-Campingplatz steht - wo Matthias als Rollstuhlfahrer campen darf und Jan als Begleitperson kostenlos mitnehmen kann - suchen die beiden ein rollstuhlgerechtes Dixi direkt vor der Bühne. Ich helfe den beiden, sich einen Weg durch die Menschenmassen zu Bahnen, indem ich vorangehe.
Bloß nicht in die Hacken fahren!
Ich empfinde es als mühsam, fast jede Person vor mir anzutippen und um Platz zu bitten. Die meisten Menschen sehen uns und den Rollstuhl nicht, weil sie mit dem Rücken zu uns stehen. Als ich auf den Rollstuhl zeige, machen aber alle sofort Platz und mobilisieren häufig sogar die Person neben sich, zur Seite zu gehen. Jan und Matthias sind entspannt: Menschenmassen sind eben nicht ganz einfach.
Rollstuhl-Podest für bessere Sicht
Das Podest für Rollis ist eine Empore, auf der etwa 20 Menschen eine freie Sicht auf die Bühne haben. Über eine Rampe kommen wir auf das etwa eineinhalb Meter hohe Podest. Je nach Auslastung dürfen sich dort auch Gäste aufhalten, die keinen Rollstuhl, aber einen Behindertenausweis haben. Außerdem stehen dort Bierbänke als Sitzgelegenheiten.
Als wir ankommen, sind die jedoch alle besetzt - und auch Matthias findet mit seinem Rollstuhl kaum noch Platz. Das sei auch für ihn neu, sagt er. In den letzten Jahren gab es weniger Gäste im Rollstuhl, meint er.
Hitze ist besser als Schlamm
Das Wetter am Samstag hat es in sich: Obwohl es schon Nachmittag ist, sind es knapp 30 Grad. Das Rolli-Podest bietet keinen Schutz vor der Sonne. Matthias sagt, ihm mache die Hitze nichts aus. Schlamm sei da viel schlimmer: "Mit Rolli nicht machbar", sagt Matthias. Denn da bleiben die Räder des Rollstuhls stecken. Ich habe trotzdem ein bisschen Angst, dass wir alle einen Sonnenstich bekommen.
Zum Abschied wollen wir noch ein Erinnerungsfoto in einer Fotobox schießen. Ich staune, wie Jan den Rollstuhl dabei über den holprigen Rasen zum Automaten schiebt. Diesmal gehen die beiden vor und bekommen unterwegs von vielen ein High-Five. Den Rollstuhl in die enge Fotobox zu bugsieren, ist nicht ganz einfach. Matthias muss starke Arme beweisen, als er sich für das Foto aus dem Rollstuhl hebt. Die Kamera hängt für Sitzende einfach ein Stück zu hoch.
Viele denken mit
Während ich auf den Ausdruck des Fotos warte, schiebt Jan Matthias durch Rindenmulch von der Fotobox weg. Als ich mit dem Bild komme, hat Matthias von einem Mitarbeiter an einem Stand eine Cap geschenkt bekommen - gegen die Sonne. Jan freut sich, dass auch andere auf Matthias aufpassen. Denn so können alle auf dem Festival Spaß haben - egal ob im Sitzen oder im Stehen.