Heiliger Martin: "Ich will versuchen von ihm zu lernen"
In Hamburg ist das Betteln in Bussen, Bahnen und auf Bahnsteigen verboten. Wer bettelt, muss inzwischen sogar Strafe zahlen. Trotzdem bitten wohnungslose Menschen dort immer wieder um Spenden.
Neulich in der Bahn spricht mich ein obdachloser Mann an und bittet um ein bisschen Geld oder etwas zu Essen. In meinen Gedanken versunken schrecke ich auf und bin erst irritiert. Dann gebe ich ihm ein paar Euro. Der Mann lächelt, bedankt sich und geht zum nächsten.
"Sankt Martin hat in Kauf genommen, selbst zu frieren"
Ich schaue ihm nach. Einige Fahrgäste ignorieren ihn, andere schütteln den Kopf. Nur wenige geben ihm ein paar Münzen. Der Zug hält und der Mann steigt aus. Wie er da so auf dem Bahnsteig steht, unsicher, wo er als nächstes hinsoll, muss ich an den Bettler denken, dem der Heilige Martin hilft. Meine Kinder hören die Geschichte gerne, wenn ich mit ihnen Laternelaufen gehen. Martin hat die Hälfte seines Mantels dem Bettler gegeben. Das klingt so einfach. Klar, wenn ich etwas im Überfluss habe, wenn es mir nicht wehtut, dann gebe ich auch gern. Aber Martin hat damit in Kauf genommen, selbst zu frieren.
"Ich will doch versuchen von Sankt Martin zu lernen"
Und ich? Würde ich einem Obdachlosen in der Bahn spontan meine Jacke geben, auch wenn ich zu Hause eine zweite habe? Eher nicht. Es scheint allgemein eher so zu sein: Je mehr ich habe, desto weniger möchte ich davon hergeben. St. Martin war da anders. Als römischer Soldat und aus einer wohlhabenden Familie stammend ging es ihm gut. Und er hat erkannt, nicht alles, was ich habe, brauche ich auch wirklich dringend.
Auch wenn ich nicht gleich meine Jacke hergebe, so wie St. Martin seinen Mantel: Ich will doch versuchen von ihm zu lernen und bewusster hinzusehen, wo und wie ich helfen kann.