Eine junge Lehrerin schreibt am im Mathematikunterricht an eine Schultafel. © dpa Foto: Julian Stratenschulte

Kolumne: "Stellt euch auch schwierigen Aufgaben!"

Stand: 27.08.2023 07:30 Uhr

Schulen in sozialen Brennpunkten suchen händeringend Lehrerinnen und Lehrer. Viele von ihnen bevorzugen es, an "leichteren" Schulen zu unterrichten. Dabei kann die Arbeit eine Chance für beide Seiten sein.

von Pastor Jan Dieckmann

Mein Enkelkind wird in diesen Tagen eingeschult. Er gehört zu den Kindern, die gut vorbereitet in die Schule kommen. Die Eltern achten auf seinen Medienkonsum. Er spricht deutsch, obwohl es nicht seine Muttersprache ist. Er besucht regelmäßig die Kinderbibliothek, amüsiert sich mit dem "Sams" und geht mit Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer auf Abenteuerreise. Er kennt Grashüpfer, fängt Frösche, mäht mit Begeisterung mit meinem Handrasenmäher und hat eine bunte Schar von Freunden in der Kita.

Schulanfänger auf Entwicklungsstand von Dreijährigen

Seine Startchancen sind gut. Dagegen gibt es eine wachsende Zahl von Schulanfängern in Deutschland, bei denen das nicht so ist. Sie sprechen kaum Deutsch, haben außer dem Handy noch nie ein anderes Medium in der Hand gehabt, wissen nicht, was eine Schere ist. In manchen sozialen Brennpunkten, sagen besorgte Pädagogen, kommen Kinder in die Schule, die auf dem Entwicklungsstand eines dreijährigen Kindes sind. Und ausgerechnet in diesen Brennpunktschulen wollen kaum junge Lehrerinnen und Lehrer arbeiten.

Bildungspolitiker fordern daher schon lange von der Politik, dass junge Pädagoginnen und Pädagogen in soziale Brennpunkte abgeordnet werden können. Warum eigentlich nicht?

Pastoren und Lehrer - Mehr bewirken in prekären Verhältnissen?

Jan Dieckmann © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka
Pastor Jan Dieckmann will jungen Lehrkräften Mut machen, an Schulen in Problemvierteln zu unterrichten.

Ich möchte aus eigener Erfahrung Mut dazu machen. Meine erste Pfarrstelle als junger Pastor konnte ich mir auch nicht aussuchen. Meine Landeskirche hat mich in eine Gemeinde am Stadtrand gesteckt. Was ich vorfand: eine Betonkirche aus den 1980ern, in die Jahre gekommene Hochausblocks, prekäre Familienverhältnisse und sehr viel Armut. Es hat eine Weile gedauert, bis ich gemerkt habe, genau hier, wo Menschen besonders viel Unterstützung brauchen, bin ich als Pastor genau richtig. Und nach sieben Jahren habe ich mich von dort mit Tränen verabschiedet und mit einem Schatz von einzigartigen Erfahrungen, die mein Leben und meine Einstellungen bis heute prägen.

Ich möchte euch Lehrerinnen und Lehrern Mut machen, euch auch schwierigen Aufgaben zu stellen. Von meiner Erfahrung her kann ich sagen: Wenn ihr euch traut, dann wird das nicht nur für die benachteiligten Kinder, sondern auch für euch eine großartige Erfahrung sein.

Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Regelmäßig vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | 27.08.2023 | 07:30 Uhr

Ein Herz, Kreuz und Anker aus Silber vor blauem Hintergrund © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka

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