Kolumne: "Natürlich übernatürlich"
Nachts geht der Blick vieler Menschen gerade gen Himmel. Zu entdecken gibt es Polarlichter. Seit jeher ziehen sie die Menschen an. Was es mit dieser Faszination auf sich hat, fragt sich Kirchenredakteurin Jacqueline Rath.
Manchmal sind es nur zarte, farbige Schatten am Himmel. Doch in letzter Zeit waren es oft satte, strahlend grüne oder rote Streifen, als hätte jemand mit einem unsichtbaren Pinsel über den Nachthimmel gemalt. Polarlichterüber Deutschland. Vor über 2.500 Jahren wurden sie das erste Mal erwähnt. Es ranken sich viele Legenden und Mythen um diese Lichter am Himmel.
In Europa fürchteten Menschen die Nordlichter
Die Ureinwohner Nordskandinaviens, die Samen, sehen in ihnen zum Beispiel die Seelen der Toten. Sie halten es für besser, ihnen keine Aufmerksamkeit zu schenken. Denn dann könnten sie nach unten greifen und einen in den Himmel entführen. Auch in Europa fürchteten die Menschen die Nordlichter. Im Mittelalter galten sie als Vorboten für Unheil und Krieg. Nur die indigenen Völker Nordamerikas geben den bunten Lichtern eine positive Deutung. Auch sie sehen in ihnen die Seelen der Verstorbenen, aber anders als bei den Samen sind sie keine Bedrohung für uns Menschen auf der Erde. Im Gegenteil: Sie sind Beschützer für die Lebenden und senden ihnen Botschaften, die es zu entschlüsseln gilt.
So unterschiedlich die Vorstellungen auch sind: Jeder Gedanke scheint etwas für sich zu haben. Denn wie sollten sich die Menschen früher dieses bunte Lichterspektakel am Himmel auch anders erklären können als mit Übernatürlichem, als ein Werk Gottes oder unbekannter spiritueller Kräfte?
Die dunkelste Nacht wird in den schönsten Farben erhellt
Wir aufgeklärten Menschen sehen das heute anders. Zumindest in der Theorie. Da wissen wir das es sich bei Polarlichtern um geladene Teilchen aus der Erdatmosphäre handelt, die auf Sauerstoff- und Stickstoffatome treffen. Und dennoch: Wer schon mal auf freiem Feld gestanden hat, mitten in der Stille der Nacht, allein mit seiner Kamera, der fragt sich insgeheim doch unweigerlich, ob es da nicht mehr zwischen Himmel und Erde geben muss, als wir begreifen können. Jemanden, der es schafft selbst unsere dunkelste Nacht in den schönsten Farben zu erhellen.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jede Woche vergeben die Radiopastor:innen und Redakteur:innen ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.