Die Spieler des Iran singen aus Protest die eigenen Hymne nicht mit. © picture alliance / Matthias Koch Foto: Matthias Koch

Iranische Fußballer bei WM: Schweigen als starke Botschaft

Stand: 24.11.2022 14:10 Uhr

Die WM in Katar stößt auf kein großes Zuschauerinteresse. Den Auftakt der deutschen Nationalmannschaft schauten weniger als zehn Millionen. Für mehr Aufmerksamkeit sorgt stiller Protest, wie des WM-Teams aus dem Iran.

von Pastor Sieghard Wilm

Diese Bilder von der Fussball-WM in Katar haben mich in dieser Woche am meisten bewegt: Zuerst die schweigende Fußballmannschaft aus dem Iran, die sich weigert, vor dem Anstoß ihre Nationalhymne mitzusingen. Ich fand das sehr mutig. Für diesen Protest gegen das Unrecht in ihrem Lande können diese Männer schwer bestraft werden. Und dann die deutsche Nationalmannschaft. Spieler, die sich beim Mannschaftsfoto mit der rechten Hand ihre Münder zuhalten. Weil die FIFA ihnen das Tragen der Armbinde "One Love" verboten hat, die ein Zeichen für Menschenrechte setzen wollte. Das DFB-Team erklärte dazu: "Uns die Binde zu verbieten, ist, wie den Mund zu verbieten".

Iranische Spieler gehen mit Schweigen Risiken ein

Nun wird viel diskutiert: Einige haben sich gefragt, was haben die deutschen Spieler schon zu fürchten, vergleicht man sie mit den iranischen Spielern, die erhebliche Risiken eingegangen sind. Viele hätten sich ein anderes Zeichen der deutschen Spieler gewünscht. Ich denke, das Schweigen der iranischen Spieler hat deutlich zu allen gesprochen. Bewusst Schweigen ist ja etwas anderes als Verstummen. Eben kein in die Knie gehen vor Verboten und Mächten. Sondern trotziger Widerstand, der sehr beredt ist.

Schweigen auch als Form des politischen Kampfes

Ich denke an die Bürgerrechts-Bewegungen in vielen Ländern, in denen das Schweigen als Form des politischen Kampfes eingesetzt wurde. Schweigen hat aber auch eine lange Kulturgeschichte in der Meditation und im Gebet. Wer schweigt, sammelt Kräfte. In den Religionen dieser Welt ist der Schweigende auch der Hörende, der ein Wort empfängt. Demgegenüber wirkt die Geste mit den zugehaltenen Mündern auf mich flach. Das ist kein würdevolles Schweigen, sondern eine groteske Pose die sagt: Wir sind ärgerlich, dass wir zum Verstummen gezwungen werden. Dieser Geste fehlt es an Freiheit und Größe.

Zu viel Lautes braucht Momente des Schweigens

Ich wünschte mir manchmal, dass mehr bewusst geschwiegen wird. Wo alles so laut ist, brauchen wir Momente des Schweigens. Die iranischen Fußballer haben gezeigt, welche Kraft und welche starke Botschaft darin liegen kann. "Tue deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind", heißt es in der Bibel. Die Iraner haben mir gezeigt, das kann man auch schweigend tun kann.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | 25.11.2022 | 09:40 Uhr

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