Ein Fahrzeug der Notfallseelsorge. Im HIntergrund ist ein Fahrzeug der Feuerwehr zu sehen. © picture alliance / dpa Foto: Patrick Pleul

"Ich bin als Notfallseelsorger für die Trauernden da"

Stand: 30.01.2025 14:00 Uhr

Mit Vollgas bei Rot über die Ampel, mitten durch den Feierabendverkehr. Ein Streifenwagen der Polizei bringt mich mit Martinshorn und Blaulicht von St. Pauli bis an den Stadtrand Hamburgs.

von Pastor Sieghard Wilm

Diese Woche bin ich eingeteilt als Notfallseelsorger. Der Pieper immer in Hörweite - rund um die Uhr. Wenn der Alarm ausgelöst wird, muss ich mich sofort beim Lagedienst der Feuerwehr melden. Denn dann gibt es einen Todesfall und Menschen sind im Ausnahmezustand.

Notfallseelsorger sind für Trauernde da

Da ist eine Mutter im Badezimmer zusammengebrochen. Ihre jüngste Tochter findet sie, alarmiert den Notarzt. Der kann nichts mehr tun. Die Polizei kommt und untersucht, denn der Ablauf des Einsatzes ist klar geregelt: Jeder weiß, was er zu tun hat. Hier sind Profis am Werk. Keine Profis sind die Trauernden. Für sie bin ich als Notfallseelsorger da.

"Einfach da sein, ruhig sein, offen für alle sein"

Als ich im Haus ankomme, treffe ich auf die Kinder und Geschwister der Verstorbenen. Einer sitzt stumm in der Ecke, die andere schluchzt, eine läuft herum. Ich kraule die verschreckten Hunde und schicke ein Stoßgebet zum Himmel: "Gott, zeige mir, wie ich helfen kann." Einfach da sein, ruhig sein, offen für alle sein.

Dann kommt der alte Vater der Verstorbenen, der eben erst die Todesnachricht erhielt. Als er in heftiges Schluchzen ausbricht und immer nur "Warum?" schreit, umarme ich ihn. Ich kann seine Frage nicht beantworten - aber aushalten. Er will seine Tochter sehen. Aber die Polizei lässt niemanden zu der Toten. Ich versuche zu verhandeln.

Zusammenspiel der Notfallseelsorge zum Wohl der Menschen

Nach quälend langer Zeit wird die Tote umgebettet, die Trauernden dürfen sich von ihr verabschieden. Wir zünden eine Kerze an. Im warmen Licht sieht die Mutter aus, als würde sie schlafen. Mein Angebot, am Totenbett zu beten, wird angenommen. Die Kinder sprechen mit ihrer Mutter.

Nach drei Stunden bedankt sich die Familie und ich mache mich auf den Heimweg. Dankbar für das Zusammenspiel der Notfallseelsorge mit Feuerwehr und Polizei - zum Wohl der Menschen im Ausnahmezustand.

Weitere Informationen
Schild einer Notfallseelsorge auf einem Autodach. © Picture Alliance / dpa Foto: Sven Hoppe

"Notfallseelsorge ist ein Dienst für den Moment"

Geschieht ein Unglück oder stirbt ein Mensch, stehen Pastorinnen und Pastoren als Notfallseelsorger Betroffenen bei. mehr

Zwei Männer unterhalten sich, einer trägt eine lilafarbende Jacke mit der Aufschrift "Notfallseelsorge". © dpa - picture alliance Foto: Matthias Bein

Mehr als 2.000 Einsätze: Notfallseelsorge zählt neue Höchstzahl

Die Zahl der Seelsorger in der hannoverschen Landeskirche geht dagegen leicht zurück. Dafür gibt es mehr Ehrenamtler. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kirchenleute heute | 31.01.2025 | 10:40 Uhr

Info

Die Evangelische und Katholische "Kirche im NDR" ist verantwortlich für dieses Onlineangebot und für die kirchlichen Beiträge auf allen Wellen des NDR.