"Den Finger in die Wunde legen"
Den Finger in die Wunde legen: Diese Redensart soll auf die Bibel zurückgehen. Sie bedeutet so viel wie auf ein Übel oder eine unangenehme Wahrheit hinweisen, die ein schmerzliches Gefühl auslöst.
Eine Wunde. Die Haut aufgeratscht, verletzt, manchmal auch das darunterliegende Gewebe. Muskel, Knochen, Adern. Drückt da nun jemand seinen Finger hinein, wird es noch schmerzhafter. Genau das will Thomas machen, einer der zwölf Jünger. Die Geschichte spielt kurz nach der Kreuzigung, nach Karfreitag. Er will begreifen, was die anderen erzählen, den Wahrheitsgehalt ihrer Worte fassen, auch wenn es weh tut. Jesus soll von den Toten auferstanden sein. Er lebt. Da sagt Thomas:
Erst will ich selbst die Wunden von den Nägeln an seinen Händen sehen. Mit meinem Finger will ich sie fühlen. Und ich will meine Hand in die Wunde an seiner Seite legen. Sonst kann ich das nicht glauben! Johannes 20,25
Thomas legt seine Finger in Jesus' Wunde
Am Wochenende nach Ostern bekommt Thomas die Gelegenheit. Jesus erscheint und spricht: "Streck deine Hand aus und leg sie in die Wunde an meiner Seite." (Joh 20,27 i.A.) Es gibt zahlreiche Darstellungen dieses Moments. Eine moderne Version findet sich in der Schlosskapelle im niedersächsischen Gifhorn. Das Altarbild zeigt Jesus mit freiem Oberkörper. In seiner rechten Seite klafft die Wunde, die ihm ein Legionär mit der Lanze zugefügt hat (Joh 19,34). Genau dort quetscht Thomas Zeige- und Mittelfinger hinein. Während Jesus angestrengt zuschaut, verzieht der Jünger schmerzverzerrt das Gesicht. Die Suche nach der Wahrheit verlangt offensichtlich beiden Seiten etwas ab. Jesus sagt zu Thomas:
Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Glückselig sind die, die mich nicht sehen und trotzdem glauben. Johannes 20,29
Mut und Vertrauen ins Leben haben
Ob der ungläubige Thomas tatsächlich seinen Finger in die Wunde gelegt hat - fraglich. Die Bibel lässt das offen, ihr ist etwas anderes wichtiger. Sie will beschreiben, was Glauben ausmacht, dazu ermutigen. Nämlich Vertrauen in die unsichtbaren Wahrheiten des Lebens.
