Mit dem Handy auf dem Acker. Gesa Ramme nimmt ihre Follower:innen bei ihrer Arbeit mit. © NDR/Nory Stoewer

TikTok auf dem Acker: Influencer in der Landwirtschaft

Stand: 15.11.2024 12:06 Uhr

In Hannover ist die Eurotier zu Ende gegangen. Bei der Messe ging es vier Tage lang um Tierzucht und Tierhaltung. Aber auch das Thema Social Media ist bei einem Messebesuch allgegenwärtig.

von Natalie Shiro Beck

Gesa Ramme teilt den Alltag auf ihrem Hof in Gifhorn seit fast fünf Jahren im Internet. Es fing damit an, dass sie Freunde aus der Stadt an ihrem Alltag teilhaben lassen wollte: "Jedes Mal, wenn ich ein Bild von einer Kuh gepostet habe, habe ich an den Reaktionen gemerkt, dass das für viele nicht so selbstverständlich ist, wie für mich", erklärt die 32-Jährige. Heute nutzt sie die Plattform Instagram auch dafür, um sich mit Berufskolleginnen und -kollegen zu vernetzten. Die "Agrar-Blase" in den sozialen Netzwerken werde immer größer, beobachtet sie.

Immer mehr Landwirte nutzen Social Media

Laut einer aktuellen representativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom sind 28 Prozent der Höfe in Deutschland auf sozialen Medien wie Instagram, Facebook oder LinkedIn aktiv. Vor zwei Jahren waren es erst 19 Prozent. Vier von fünf befragten Betrieben sind überzeugt, dass digitale Technologien die landwirtschaftliche Produktion transparenter machen. Mit ihren fast 20.000 Followern spricht Landwirtin Gesa Ramme auch über kontroverse Themen wie Tierwohl in der Nutztierhaltung oder Dumpingpreise bei Discounter-Supermärkten. "Mein größtes Ziel ist es zu zeigen, dass alles nicht schwarz und weiß ist", erklärt sie. "Aber auch den Beruf der Landwirtschaft oder einfach nur schöne Momente zu zeigen und das Feeling rüberzubringen, das man hat, wenn man auf einem Hof arbeitet."

Social Media als Investition in den Betrieb

"Wilkommen bei Wilhelms Bauernblick" - so startet Wilhelm Behn mit einem Sack Saatgut sein Tiktok-Video. In dem eineinhalb Minuten kurzen Video erklärt der 26-jährige Landwirt, warum er Zwischenfrüchte anbaut und aus welchen Komponenten sein Saatgut besteht. Alles ziemlich technisch für eine Unterhaltungsplattform, aber es scheint viele zu interessieren. Über 10.000 Menschen haben das Video bereits gesehen. Der Familienbetrieb Behn aus Groß Twülpstedt (Landkreis Helmstedt) hat Anfang des Jahres entschieden, Social Media professionell anzugehen. Sie bezahlen eine Argentur, die die TikTok- und Instagram-Videos für sie produziert. Zwischen 2.000 und 4.000 Euro kann so etwas laut der Braunschweiger Agentur im Monat kosten. "Erst hat mein Vater natürlich schon gefragt, brauchen wir das wirklich so intensiv und müssen wir das jetzt, müssen wir da so viel Geld für ausgeben", erklärt Behn. Aber die Investition zahle sich aus, weil der Online-Auftritt helfe, mehr Menschen auf den Hof und die Produkte aus der Direktvermarktung aufmerksam zu machen.

DLG zeichnet Agrar-Influencer aus

Auch auf der Nutztier-Messe Eurotier in Hannover waren zwischen dem 12. und dem 15. November Landwirschaftsinfluencer präsent. Sie drehen Videos über Kälberfüttertechnik oder halten Vorträge für Melkrobotter-Hersteller. Am dritten Tag der Messe zeichnete die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) sechs junge Landwirtschaft-Influencer aus. Heike Zeller ist Beraterin für Direktvermarkter und die Jury-Vorsitzende des "Agri Influencer Awards". Ein guter Account zeichnet sich laut Zeller durch Nahbarkeit und Authentizität aus: "Die zeigen mir jetzt nicht irgendeine schöne Fassade, sondern erzählen die Geschichten dahinter." Sie erfährt bei dem Thema allerdings auch Skepsis: "Wir sind eine Branche, die durchaus auch etwas konservativer ist und man wird schon oft gefragt: 'Was soll denn das bringen mit diesen Influencern?' Aber wir haben eben auch unglaublich vorandenkende, zukunftsgewandte, technologiebegeisterte Leute."

Agrarunternehmen werben mit Influencern

Es geht aber nicht nur um Öffentlichkeitsarbeit. Werbekooperationen mit Influencern, die ursprünglich in der Kosmetik und Modebranche groß wurden, haben ihren Weg längst auch in die Landwirtschaft gemacht. "Bezahlte Werbepartnerschaften spielen eine absolut wachsende Rolle und haben sich unfassbar professionalisiert", beobachtet Zeller. Auch der Influencer-Preis wird von Unternehmen aus der Agrarwirtschaft gesponsort. Egal ob Futtermittel-, Landmaschinen- oder Saatguthersteller - die Agrarindustrie hat erkannt, wie gut die Werbung mit Influencern funktioniert, erklärt Zeller. Dass Social Media für den Betrieb zu einem lukrativen, finanziellen Standbein wird, sei laut der Expertin allerdings bisher noch die Ausnahme.

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