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Operation Fernsehen
Die ARD arbeitet ihre Stasi-Vergangenheit auf und präsentiert eine Studie, die die Verstrickungen von Mitarbeitern thematisiert. Eine öffentliche Anstalt macht öffentlich, was viele andere - und vielleicht auch manche in den eigenen Reihen - lieber verbergen würden. IMs und Sympathisanten im Westrundfunk, das Ausmaß der Bespitzelung der ARD-Korrespondenten in Ost-Berlin und die Rolle der Stasi im DDR-Rundfunk - das sind die drei Themen der Studie sowie der zugehörigen Fernsehdokumentationen. Teil 1 und 2 werden jetzt in der ARD gesendet, der dritte Teil soll im Herbst folgen. Der dafür zuständige Mitteldeutsche Rundfunk lässt verlauten, man wolle sich für das brisante Thema etwas mehr Zeit nehmen. Selbstaufklärung kann eben manchmal eine schwierige Geburt sein!
Der Saarländische Rundfunk (SR) - schön, dass er noch steht! Die Stasi hätte ihn am liebsten in die Luft gejagt. Die Pläne lagen schon in der Schublade - geliefert von Karl-Heinz Reinsch, einem Mitarbeiter des Saarländischen Rundfunks und zugleich Spion der Staatssicherheit. Regelmäßig schickte er Lageberichte nach Ost-Berlin. Seine Frau spitzelte beim Radio. Und gefährdete damit auch systemkritische DDR-Bürger. Denn deren Hörer-Post, geschickt in den vermeintlich freien Westen, landete durch sie bei der Stasi.
Und auch Rainer Grau, Reporter des SR, war seit 1971 IM bei der Stasi. Erst vor einem Monat wird er enttarnt. Durch eine ARD-Studie. Vorgestellt wurde sie von den Intendanten Fritz Pleitgen (WDR) und Udo Reiter (MDR). Der brisante Inhalt: Die Aktionen der Stasi gegen die ARD und den DDR-Rundfunk. Ein Stück Selbstaufklärung: "Ich wäre sehr froh, wenn andere unserem Beispiel folgten, beispielsweise Verlage oder auch das ZDF: Dann wäre das Bild komplett", meint Fritz Pleitgen.
Bedarf gäbe es. Denn auch der ZDF-Korrespondent Dietmar Schumann ist im Zuge der Studie unter Stasiverdacht geraten. Er leugnet. Das ZDF glaubt ihm. "Er sagt uns, dass der nicht für das MfS gearbeitet hat, es gibt keinen Beweis dafür, dass er gearbeitet hat, es gibt keine Verpflichtungserklärung und das ist zu akzeptieren", so Carl-Eugen Eberle, ZDF-Justitiar. Das ist wohl Ansichtssache. Die Verpflichtungserklärung fehlt zwar, aber es gibt eine Karteikarte über den ZDF-Mann. Sein angeblicher Deckname: IM Basket.
Ein anderer Fall, bei dem alles klar ist: Klaus Meyer. Er war IM und bespitzelte den NDR jahrelang. Das Denunzieren hatte er früh geübt: Schon in der DDR, Anfang der 60er, verpfiffen Klaus Meyer und seine Frau Helse die Fluchtpläne von Dieter Hambach, dieser erinnert sich. "Helse und Klaus Meyer, ja, sie haben mir geschadet. Sie waren dafür verantwortlich und kein anderer, dass ich für fast drei Jahre ins Zuchthaus kam!" Nach Bautzen. Das damals Erlebte beschäftigt ihn noch heute: "Gelegentlich träumt man noch davon und wacht bei der Stasi auf. Das ist schon nicht so schön." Zynische Pointe: Jahre später trafen sich Hambach und Meyer als NDR-Kollegen wieder. Doch da wusste das Opfer noch nichts von dem Verrat, der ihn ins Gefängnis brachte.
Spitzeln und bespitzelt werden. Die Westkorrespondenten in der DDR und das ARD-Studio in Ost-Berlin waren immer im Visier der Staatssicherheit. Die ARD-Studie zeigt erstmals, in welchem Ausmaß sie überwacht wurden. Kameras, abgehörte Telefonate und inoffizielle Mitarbeiter. Die Journalisten waren von der Stasi umzingelt. Die Stasi in den eigenen Reihen - daran haben nach der Wende vor allem die neuen ARD-Sender in Ostdeutschland schwer zu tragen gehabt. Es gab immer wieder Stasi-Fälle, der bekannteste: Ingo Dubinski - Jung-Talent in der DDR, danach Starmoderator der ARD. Auch er war ein Spitzel.
Besonders betroffen war immer wieder der Mitteldeutsche Rundfunk. Vor drei Jahren wurden die Mitarbeiter erneut überprüft und wieder einige IMs entdeckt. Überraschungen wird es deswegen jetzt nicht mehr geben, lässt der MDR-Intendant verlauten: "Also was den MDR betrifft, sind in dieser Studie keine neuen Namen und keine neuen Tatbestände enthalten, wir haben das alles in den zurückliegenden Jahren schon aufgearbeitet, für uns gibt es deswegen auch keine Konsequenzen."
Das sehen einige Journalisten und Experten anders. Sie behaupten, besonders ein Top-Mann des MDR sei deutlich schwerer belastet als bisher bekannt. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen des MDR: Der Mann bleibt in der Diskussion.
Die ARD-Dokumentation über Stasi-Verstrickungen könnte Aufklärung bringen. Zwei Teile wurden diese Woche gesendet, aber ausgerechnet der Part über den Ost-Rundfunk steht noch aus. Im Herbst soll es soweit sein, verspricht der dafür zuständige MDR. Und die anderen ARD-Anstalten wollen ihn dabei tatkräftig unterstützen. Heribert Schwan, WDR: "Ich verspreche Ihnen, die ARD wird nichts unter den Teppich kehren, überhaupt nicht und wir werden auch alle Fälle, die das ehemalige DDR-Fernsehen betreffen und die Nachfolgeorganisationen wie MDR und RBB und NDR, werden wir aufarbeiten."
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ZAPP |
25.07.2004 | 23:15 Uhr