Volkes Stimme, Volkes Stimmungen
Donald Trump hat einmal über sich selbst gesagt, er sei der "Ernest Hemingway der 140 Zeichen". Er braucht keine Mediatoren oder Zwischeninstanzen, er braucht nur Twitter. Über soziale Medien schafft der US-Präsidentschaftskandidat eine direkte Verbindung zu seinen Anhängern und suggeriert, er sei immer und überall für sie erreichbar. Durch soziale Netzwerke kann inzwischen jeder seine Botschaften in der Öffentlichkeit platzieren. Das nützt vor allem den Populisten, die früher den Umweg über die etablierten Medien gehen mussten. Um genau dieses Verhältnis von Medien und Populismus geht es auf der Konferenz "Formate des Politischen" am 3. und 4. November in Berlin, organisiert vom Deutschlandfunk, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Bundespressekonferenz.
"Nicht jeder, der Eliten kritisiert, ist ein Populist"
Der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller von der Princeton University erklärt, Populisten bedienten sich oft dieser "direkten Repräsentation". In sogenannten "Echokammern" im Netz treffen sich Gleichgesinnte, die populistische Argumente und Thesen teilen und sich dann bestätigt und besonders wohl fühlen, wenn andere das Gleiche denken wie sie selbst. Ob wir damit tatsächlich im viel beschworenen "postfaktischen Zeitalter" leben, in dem nur Emotionen und nicht mehr Fakten relevant sind, bezweifelt Müller allerdings. Seine Analyse: Viele Bürger misstrauen Autoritäten. Aber auch wenn der Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge zum Teil vollkommen irrelevant geworden ist, sei ein gesunder Skeptizismus gegenüber Eliten legitim und angebracht: "Nicht jeder, der Eliten kritisiert, ist ein Populist."
Selbstkritik beim "Bild.de"-Chef
Welchen Anteil haben nun Medien und Journalisten am Aufstieg von Populisten? Julian Reichelt, Chefredakteur von "Bild.de", sagt selbstkritisch: "Wir haben vielleicht manchmal zu sehr das beschrieben, was wir gern hätten und nicht das, was ist. Und damit manche Nutzer entfremdet." Er sieht das Problem einerseits in einer "Medien-Blase", in der Journalisten sich in ihren eigenen elitären Kreisen bewegen und vom Publikum entfernen. Und andererseits darin, dass Journalisten zu leicht Meinungen und legitime Sorgen ausgrenzen. "'Besorgter Bürger' ist ja mittlerweile ein Synonym für Neonazi oder Faschist, und das kann nicht sein. Jeder Bürger hat das Recht, besorgt zu sein", so Reichelt.
Vor einer Anpassung des Sprachniveaus wird gewarnt
Hier widerspricht ihm allerdings Anatol Stefanowitsch, Sprachwissenschaftler an der FU Berlin, der sich intensiv mit den Kommentaren auf den Facebook-Seiten von Pegida beschäftigt hat: "Das ist nicht nur Hass auf die Eliten, was wir da finden, sondern tatsächlich auch Rassismus und Fremdenhass." Stefanowitsch plädiert dafür, sich nicht auf das sprachliche Niveau der Pegidisten zu begeben: "Das ist doch das Beste, was denen passieren kann, von Sigmar Gabriel als 'Pack' betitelt zu werden. Das ist für sie gewissermaßen ein Ritterschlag." Wohin führt nun die Entwicklung in Deutschland? Das zeigt vielleicht ein Blick nach Österreich.
Extremisten brauchen etablierte Medien nicht mehr
Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin des "Standard" in Wien, fühlt sich durch die aktuellen deutschen Debatten erinnert an Fragen, die Österreich schon vor vielen Jahren diskutiert hat: "Das ist bei uns alles schon durch." Die österreichischen Medien hätten gegenüber Populisten viele Rezepte ausprobiert, von Ausgrenzen über Nicht-Einladen in Talkshows bis hin zum Versuch, die populistischen Politiker zu entzaubern. Föderl-Schmids recht pessimistisches Résumé: "Funktioniert hat das alles nicht." Mittlerweile hat die rechtspopulistische Partei in Österreich, die FPÖ, sich ein autarkes Mediensystem aufgebaut. Über Facebook und eigene YouTube-Kanäle erreichen die Politiker ihre Zielgruppen. Föderl-Schmid: "Uns etablierte Medien brauchen die schlicht nicht mehr."
Unangenehme Themen nicht den Populisten überlassen
Was können Journalisten also tun, damit es in Deutschland nicht so weit kommt? Julian Reichelt von "Bild.de" ist sich sicher: "Die Menschen zu beschimpfen, wird sie uns nicht zurückbringen." Er plädiert dafür, dass Journalisten "in den Sumpf" auch der unangenehmen Themen hinabsteigen müssten und diese eben nicht den Populisten überlassen dürften. Zum Beispiel bei der Diskussion um ein mögliches Verbot von Moscheen in Deutschland: "Da machen sich die Leute Gedanken", so Reichelt, "und da kann es nicht sein, dass nur Herr Gauland das Thema besetzt. Wir Journalisten müssen auch Antworten liefern."
Journalisten sollten nicht als Verstärker fungieren
Und Alexandra Föderl-Schmid weist darauf hin, dass Journalisten sich auch ab und zu fragen müssten, ob sie denn eigentlich als Echo-Kammern für die Populisten herhalten wollen. Denn wenn der FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache zum Beispiel mal wieder von einem drohenden "Bürgerkrieg" schwadroniert, hätten Journalisten durchaus die Möglichkeit, das auch mal zu ignorieren. Oder zu widerlegen.