Schwieriges Verhältnis: Polen und die Presse
Wer als Reporter des privaten polnischen Fernsehsenders TVN über rassistische Unruhen berichtet, lebt gefährlich. Während eines Aufmarsches von Nationalisten wurde der Übertragungswagen von TVN angezündet. Eine gezielte Aktion, so Andrzej Morozowski, der Chefredakteur des Senders. Man sei zum Feindbild geworden, weil man ausführlich und detailliert über die wachsende Fremdenfeindlichkeit in Polen berichten würde.
Öffentlich-Rechtlicher Sender folgt Regierungslinie
Eine paradoxe Situation, stellt Anna Tatar von der antirassistischen Organisation Nigdy Wiecej (Nie wieder) fest. Eigentlich sei diese Art Berichterstattung die Aufgabe des nichtkommerziellen öffentlich-rechtlichen Senders TVP. Doch der hält sich zurück, folgt eher der Linie von Innenminister Mariusz Błaszczak. Dieser nannte eine der letzten großen Ausschreitungen im ostpolnischen Elk, bei denen ein aufgebrachter Mob nach einer tödlichen Messerstecherei tagelang randalierte und Polizisten angriff, verharmlosend "Randerscheinungen". TVP folgte und sprach von "Unglück."
Zahlreiche Journalisten entlassen
Bei näherem Hinsehen überrascht die Haltung des öffentlich-rechtlichen Senders nicht. Nach dem Regierungswechsel vor anderthalb Jahren haben die neuen Machthaber der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PIS) nicht nur das Management und die Führungsspitze des Senders ausgetauscht, sondern auch dafür gesorgt, dass über 200 Journalisten TVP inzwischen verlassen haben. Ihnen wurde gekündigt oder es wurde ihnen doch nahegelegt, sich anderswo eine Beschäftigung zu suchen.
Es gehe nicht mehr um Information, sondern nur noch um Propaganda, stellt Karolina Lewicka. Die frühere Moderatorin war das erste prominente Opfer der neuen Medienstrategie. Nach einem Disput mit dem polnischen Kultusminister wurde sie suspendiert und kündigte kurz darauf. Sie arbeitet jetzt als politische Korrespondentin für einen privaten Radiosender.
Liberale Medien geraten unter Druck
In Polen sind es die kommerziellen Medien, die der Regierung auf die Finger schauen. Und die geht mehr oder weniger subtil gegen ihre Kritiker vor. Eine Abgeordnete der regierenden PIS organisierte im Internet eine Unterschriftenaktion, um TVN die Sendelizenz zu entziehen. Die kritische linksliberale Gazeta Wyborcza, die auflagenstärkste seriöse Zeitung Polens, wird ökonomisch unter Druck gesetzt. Gleich nach dem Regierungswechsel wurden alle Abonnements von öffentlichen Ämtern und Gerichten gekündigt. Staatliche Firmen inserieren nicht bei Gazeta Wyborcza. Und auch die Todesanzeigen von Mitarbeitern öffentlicher Behörden erscheinen jetzt woanders.
Vollends bizarr wurde es am 13. Dezember 2016. Vor dem Redaktionsgebäude in Warschau demonstrierten Nationalkonservative, so erzählt der stellvertretende Chefredakteur Jaroslaw Kurski: "Es ging gegen unsere Zeitung, die EU, islamische Terroristen, gegen Gender und Multikulti. An der Spitze ein Priester, der mit exorzistischen Ritualen die Dämonen von unserer Zeitung vertreiben wollte."
Doch die Journalisten lassen sich nicht einschüchtern, auch wenn sie von Regierungsmitgliedern kaum Interviews erhalten oder nicht zu Pressekonferenzen eingeladen werden. Chefredakteur Kurski drückt es so aus: "Es ist auf der einen Seite die schlimmste Phase in der Geschichte von Gazeta Wyborcza. Auf der anderen Seite die beste Zeit, denn wir sind wie eine Sauerstoffflasche, aus der unsere Leser täglich frische Luft atmen können, um in diesem politischen Smog, welcher derzeit herrscht, überleben zu können."